Mit der Billigflieger Jetstar nach Auckland geflogen, Ankunft um 4.30 Uhr morgens. Übermüdet und fröstelnd steigen wir in den Skybus. Er ist die schnellste Verbindung zu unserem Quartier (18 NZD, einfache Fahrt pro Person). Es ist noch dunkel. Die Temperaturen liegen bei ca. 12 Grad, überhaupt nicht mehr südseehaft. Die diversen warmen Kleidungsschichten sind also doch nicht umsonst mitgeschleppt worden.
Gegen 6.00 Uhr steigen wir an der Mt. Eden Rd. aus dem Bus und schleichen wie Zombies zu unserem neuen Heim. Plötzlich hören wir von hinten Stimmen: Drei ältere Damen, äußerst sportlich gekleidet, überholen uns kurz und trocken rechts im Stechschritt. Auf der kurzen Strecke zum Haus begegnen uns noch andere sportliche Frühaufsteher, vor allem Frauen scheinen zu dieser Tageszeit unterwegs zu sein: Älter, jung, sportlich, selten eher korpulenter, häufig in der Gruppe, aber auch alleine, mit Hund, ohne Hund, mit Kopfhörer, mit Smartphone vorm Gesicht oder sich einfach nur lächelnd, selten verbissen, in den allmählich hereinbrechenden Tag hineinbewegend. Wir sind tief beeindruckt, schließlich ist hier beim Morgensport ein Terrain mit beachtlichen Höhenmetern zu meistern. Das auf vulkanischem Untergrund besiedelte Auckland mit seinen vielen Hügeln bzw. erloschenen Vulkanen, die wir erst später bei Tageslicht um uns herum erblicken werden, ist ein ambitionierter Sportsground für Läufer, Walker oder Gassigeher. Wir kommen um 6.30 Uhr an unserem Haus an, alles ist noch dunkel. Da wir niemanden wecken wollen, verstauen wir unsere Rucksäcke im Gartenhäuschen und laufen erst einmal zum – chinesischen – Bäcker um die Ecke und nehmen unser, im wahrsten Sinne des Wortes, Frühstück ein. Als wir wieder zurückkommen, ist diesmal auch Licht im Haus zu sehen. Wir beziehen unser Zimmer, nehmen eine Dusche, machen ein kurzes Nickerchen und setzen uns dann gleich in den Bus nach Downtown. Der öffentliche Nahverkehr ist in Auckland ähnlich organisiert wie in Sydney auch. Wir kaufen uns eine „Hopp on-, Hopp off-Card“ der kommunalen Verkehrsbetriebe. Die Karte kostet 10 NZD Pfand, danach kann sie beliebig in dazu autorisierten Läden und/oder online aufgeladen werden. Der Vorteil liegt darin, dass die Fahrten mit der Karte im Vergleich zu den Einzelfahrten ca. 25% günstiger sind und es eben auch bequemer ist, die Karte nur kurz an den Kartenleser beim Aus- und Einstieg zu halten. Sollte man einmal das Auschecken vergessen, werden 10 NZD als Pauschale abgebucht. Die Fahrtkosten werden beim Ausstieg angezeigt und sofort abgebucht, der noch zur Verfügung stehende Restbetrag wird ebenfalls angezeigt. Mittlerweile ist es hell geworden und es scheint sogar die Sonne. Wir laufen zum Hafen, legen uns dort auf eine der ergonomischen Sonnenliegen, die zahlreich entlang der Hafenpromenade zu finden sind. Danach essen wir lecker in einem edlen italienischen Restaurant im Central Business District. Es ist Mittagzeit und das Restaurant füllt sich mit Businessleuten aus der Umgebung. Schick gekleidete Damen und Herren sitzen in der Sonne vor der Tür. Der Blick auf ihre Teller verrät: man ernährt sich gesund und achtet auf seine Linie. Neben uns nehmen zwei weitere Damen Platz. Die Neuseeländischen Ladies reden wohl gerne laut, oder ist es unsere Übermüdung? Mit dem gefüllten Magen wird auch unsere Stimmung zunehmend besser und auch die Akkus werden wieder aufgeladen.

Am Fährterminal vorbei gehen wir zum Fischmarkt. Entlang des Weges am Kai sehen wir viele Neubauten oder alte Gebäude aufwendig renoviert, in der Regel mit großen Balkonen auf den Hafen ausgerichtet. Neben kleineren, schön anzuschauenden Anlagen finden sich auch zehnstöckige Wohnbunker mit Penthäusern on the top, aber allesamt wohl eher Wohnraum für die Besserverdienenden der Stadt. Der Fischmarkt ist in einem noch nicht renovierten Areal untergebracht. In mehreren Hallen werden die am Morgen gefangenen Fische und sonstigen Meerestierchen sauber drapiert auf Tonnen von Eisraspeln feilgeboten. Einige der Fischarten kennt man aus Europa, andere aber sind uns sowohl vom Namen, als auch von der Erscheinung her sehr fremd, einige schauen eher grausig aus, so dass wir uns nicht vorstellen können so etwas jemals auf dem Teller haben zu wollen, zumindest nicht mit Kopf! Für den Normalbürger beginnt der Einlass ab 7.00 Uhr, ab 5.00 Uhr finden hier bereits Auktionen statt, in denen der Fang größtenteils von den Restaurants, Hotels, Großhändlern und einigen Fischläden ersteigert wird. Die Auktionshalle erinnert an einen Hörsaal in der Uni. Vorne steht der Auktionator an einem Bildschirm, die Käufer sitzen an kleinen Tischen, an denen sie elektronisch ihre Gebote für die angebotenen Waren blitzschnell weitergeben können. In einer der Hallen befindet sich auch ein einfaches Restaurant, in dem Fischgerichte vom klassischen Fisch and Chips bis hin zum hippen Sushi verspeist werden können. Auf dem Rückweg, der diesmal durch die heruntergelassene Hafenbrücke erheblich kürzer ist, sehen wir, nahe dem Fährhafen, einen an der Längsseite offenen Container. Während in Französisch Polynesien Frachtcontainer gerne als Gartenhaus verwendet werden, ist dieser im Stile eines Wohnzimmers eingerichtet und mit seinen vielen Bücherregalen eine Art Lesezimmer mit Hafenrundblick, quasi eine Containerbibliothek. Man kann sich zur Lektüre hinein oder auch auf die chilligen Stühle an einen Tisch davorsetzen. Später sehen wir noch einen zweiten Container, diesmal mit Teppichboden ausgelegt, innen drin steht ein Klavier, an dem gerade ein junger Bursche sitzt und ein wenig für die darum sitzenden Touristen und die hastig ihr Mittagessen verschlingenden Büroangestellten musiziert.

Am Nachmittag fahren wir mit dem Bus in das angesagte Ponsonby. Schicke Shops von lokalen Designern, nette und andere Restaurants, szenige Cafés, kultige Pubs, Foodstalls jeglicher Couleur und vieles mehr. Weil es aber schon gegen 17.00 Uhr ist, finden wir erst in einer Seitenstraße ein kleines Café, das neben Kaffee auch Kuchen serviert. Das Gebäude schaut ein wenig aus wie eine kleine Kirche. Wir sind die einzigen Gäste, der Kellner hat keine Eile und beginnt, als er merkt, dass wir Touristen sind, zu erzählen. Er klärt uns auf, dass wir uns in keiner umfunktionierten Kirche befinden, sondern vielmehr einem ehemaligen Counsellor House, in das dann später um 1900 die hiesige Feuerwehr eingezogen ist. Im großen Gastraum im Erdgeschoss, wo wir gerade sitzen, so erzählt er, waren früher die hölzernen Löschwagen gestanden und in den Räumen daneben war der Unterstand für die Pferde, die ihn zogen. Danach lag das Gebäude lange Zeit brach, bis es schließlich Ende des letzten Jahrhunderts in ein französisches Lokal umgebaut wurde, das für einige Jahre in der Gegend durchaus angesagt war. Mittlerweile ist daraus ein – durchschnittliches – Café geworden, sagt er ein wenig wehmütig und seit einigen Monaten, so klagt er, bleiben auch hier die Kunden weg. Schuld daran sei ein Mega-Einkaufskomplex, der auf der gegenüber liegenden Straßenseite gerade gebaut wird und dadurch nahezu alle Parkmöglichkeiten in der näheren Umgebung verschwunden sind. Same procedure as everywhere, denken wir uns, schlürfen unseren Kaffee und gehen nach Hause. Und endlich ins Bett.

Am nächsten Morgen fahren wir zum nahegelegenen Mount Eden, einer von sechs Vulkankratern, die im Bereich der Innenstadt liegen. Er ist selbst in dieser hügeligen Landschaft schon von weiter Entfernung her erkennbar. Von der Bushaltestelle führen mehrere Pfade und eine Straße hinauf zum Krater. Vom Kraterrand aus hat man einen fantastischen Blick auf die Skyline von Auckland, die vorgelagerten Inseln und andere Vulkane. Der Krater ist vollständig geschlossen und ca. 30m tief. Wie auf Hinweisschildern am Weg zu lesen ist, werden die Vulkankrater von den Aborigines als heilige Orte angesehen und ein Betreten deshalb untersagt, was aber einige junge, weibliche chinesische Touristen trotzdem nicht davon abhält in den Krater zu laufen, um sich von oben fotografieren zu lassen und unten am Kraterboden mit ihren Selfie-sticks einige Bilder zu machen. Allerorten wird auf die frühe Besiedlung der Region durch die Aborigines auf Schautafeln hingewiesen und Siedlungsstrukturen und deren Nutzung erläutert, obwohl es hier tatsächlich außer wenigen Steinmalereien und jenen als religiös angesehenen Bereichen nicht wirklich noch eine sichtbare archäologische oder naturräumliche Präsenz der Kultur der Ureinwohner gibt.

Am Nachmittag machen wir uns bei widrigen Witterungsverhältnissen entsprechend den Worten unseres leider früh verschieden Professors Dr. Hütteroth „Es gibt kein schlechtes Wetter, es gibt nur schlechte Kleidung“, nahezu alpinistisch gekleidet und ausgerüstet auf einen Strandspaziergang und erreichen nach drei Stunden -trotzdem- ausgefroren und durchnässt wieder unsere Bleibe.

Am nächsten Tag ist das Wetter leider immer noch nicht besser. Trotzdem beschließen wir die Fähre auf die gegenüberliegende Halbinsel nach Devonport zu nehmen, um dem Einheitsgrau der modernen Großstadt in die Idylle der kolonialzeitlichen geprägten Vorstadt zu entfliehen. Unter widrigen Verhältnissen erklimmen wir den Hausberg des Vorortes und genießen den Blick auf Auckland, den vorgelagerten Inseln und den Golf von Hauraki. Beim Abstieg stoßen wir auf eine ehemalige Bunkeranlage aus dem zweiten Weltkrieg, die mittlerweile als „The Bunker“ vom Devonport Folkmusic Club allmontäglich für Liveveranstaltungen genutzt wird. Auf dem Rückweg verirren wir uns noch in das gemütliche kleine französische Bistro „La Fourchette“, in dem es guten Kaffee und dazu allerhand leckere Backwaren gibt. Eine Bedienung, die mit einem Work and Travel Visum ausgestattet ist und aus Frankreich kommt, erzählt uns, dass alle, die hier arbeiten, genauso wie der Besitzer und seine Frau, Franzosen sind. Bisher war mir ein solches Verhalten immer nur von chinesischen und orientalischen Arbeitgebern bekannt, aber in der weiten Ferne sind wohl auch die Europäer lieber unter sich. Eine Feststellung, die die vollständig italienische Belegschaft eines Restaurants in Sydney später noch bestätigen wird. Am Nachmittag fahren wir – wieder mit der Fähre – nach Waiheke Island, einer für ihren Weinanbau und für seine hippiesken und „sonderbaren“ Bewohner bekannte Insel. Die Fähren legen stündlich ab, eine Fahrt dauert eine halbe Stunde und kostet 30 NZD. Wir sind überrascht, als wir hören, dass der Fährverkehr bis 1.00 Uhr nachts verkehrt. Am Hafen angekommen machen wir uns wieder per pedes auf den Weg nach Oneroa, dem Hauptort der Insel. Auf dem Weg sehen wir oben auf dem Hauptkamm der Insel einige futuristisch anmutende Häuser, mit eindrucksvollen Terrassenanlagen, die in Richtung des Golfes ausgelegt sind. Wir erkunden das kleine Städtchen entlang seiner Hauptstraße und stellen fest, dass Geschäfte des täglichen Bedarfs und Restaurationen eher spärlich gesät, dafür aber reichlich Galerien und Kunsthandwerksstätten zu finden sind. Da ein öffentlicher Nahverkehr auf der Insel quasi nicht existent ist, entschließen wir uns in der Ortschaft zu bleiben. Über einen Weg durch einen kleinen Park gelangen wir vom Ortszentrum, das auf einem Hügelkamm liegt, hinunter zum Stadtstrand, der sich an einer malerischen Bucht entlang zieht. Auffallend ist jedoch, dass es zwar eine Strandpromenade, aber keinerlei Infrastruktur dazu gibt. Bis direkt an die Promenade heran reihen sich die privaten Grundstücke, die ausnahmslos mit Wohnhäusern bebaut sind. Das einzige nicht zum Wohnen genutzte Grundstück ist das des ortsansässigen Bootsclubs, an dem es wenigstens Toiletten und Duschen gibt. Der breite Sandstrand ist zu dieser Jahreszeit menschenleer, nur einige Touristen und wenige Ortsansässige mit ihren Hunden streunen teils barfuß auf dem Sand entlang. Weil gerade Ebbe ist, ist der Sand mit tausenden von Muscheln bedeckt, von denen einige ihren Weg nach Europa finden werden. Mittlerweile melden sich auch unsere Mägen wieder und so machen wir uns auf den Rückweg hinauf ins Ortszentrum und auf die Suche nach einem der drei Weingüter auf der Westseite der Insel. Die Sonne schickt sich bereits an hinter einem vorgelagerten Hügel zu verschwinden. Das Weingut Cable Bay Vineyards liegt auf einem Sporn, ca. 100 m über dem Meeresspiegel. Das Haus, das auch gleichzeitig als Restaurant dient, ist neueren Datums. Ein großzügiger Gang führt direkt in die Bar; das Restaurant, der Weinkeller und die Verkaufsräume liegen davor. Zum Meer hin ist das Restaurant offen- normalerweise! Im Winter wird der Gastraum durch eine stabile Folienwand geschützt, die aber trotzdem einen atemberaubenden Blick auf den Golf gewährt. Über Weinberge zur rechten und Wiesen direkt vor der Terrasse blickt man hinaus auf das Meer und im Hintergrund noch deutlich zu erkennen, auf die Skyline von Auckland. Die Weinkarte ist ebenfalls beeindruckend. Wir entscheiden uns für den Hauswein, einen Merlot rosé nouveau, eine ausgezeichnete Entscheidung, wie sich spätestens nach dem zweiten Glas feststellen lässt. Zum Essen bestellen wir geräucherten Lachs, einen raffinierten coleslaw salad und dazu gegrilltes Knoblauchbrot. Ein würdiger letzter Abend in Auckland, denken wir uns, als wir durch unsere kalten Roseweingläser den Sonnenuntergang beobachten. Nachdem die Sonne hinter dem Horizont verschwunden ist, laufen wir mit letzter Tagesbeleuchtung auf einem, von der aufmerksamen Bedienung empfohlenen Schleichweg zur Fähre hinunter. Gerade noch vor Einbruch der Dunkelheit erreichen wir sicher den Parkplatz am Hafen und nehmen – nicht die letzte – Fähre zurück nach Auckland. Am nächsten Morgen plagen wir uns wieder mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zum Flughafen. Die Fahrt könnte unter dem Motto laufen, warum leicht, wenn es auch schwer geht. Eigentlich soll es vor allem billig gehen. Das Restguthaben auf unserer Bus-Karte will verbraten werden. Die mehrfache Umsteigaktion führt uns in die sozial schwächeren Vororte von Auckland. Bis dato hatten wir den Eindruck, dass die Stadt eine sehr junge und gut situierte Bevölkerung hat, aber hier treffen wir auf jene alten und sozial schwächeren Menschen, die im Straßenbild der erweiterten Innenstadt komplett fehlten. An einer heruntergekommenen Bushaltestelle steigen wir in einen Bus, in dem lauter ältere Tantchen und Opas sitzen. Der ältere Herr neben mir gibt komische Geräusche von sich. Man könnte es als „Stülpsen“ bezeichnen, eine Mischung aus Stöhnen und Rülpsen. Es geht ihm aber gut. Eine ältere Dame kommt beim Einsteigen mit der Tap-Card nicht klar und braucht Hilfe vom Busfahrer. Opi freut sich und lacht laut. Hier ist was geboten! Die illustre Runde wird durch eine junge Familie abgerundet, die an der nächsten Haltestellt in den Bus steigt. Zuerst die Mutter, dann das Kind und zuletzt der beleibtere und tätowierte Mann, mit einer Hand die Tap-Card aus dem Portemonnaie kramend, in der anderen den zur Hälfte aufgegessenen, tropfenden Burger haltend. Die drei finden schließlich gleich hinter uns einen Sitzplatz. Der Burger wird in Windeseile laut schmatzend verzehrt. Zum Abschluss noch ein Rülpser, der den ganzen Bus wachrüttelt. Wohlsein!  Nach einer Weile macht sich der Mann mehrmals lauthals beim Busfahrer bemerkbar: Can you turn on the aircon, please, bro? I cannot breathe in here. Der Burger heizt wohl nach. Ich finde es eigentlich kalt genug! Die Klima wird angemacht. Er führt seine Unterhaltung mit dem Busfahrer fort. How many wives have you got, bro? Der Busfahrer bleibt erst ungerührt und antwortet dann doch noch: Six. Stille. Ich bin gespannt was noch alles kommt. Doch unsere Erwartungen werden jäh unterbrochen. International Airport, ruft der Fahrer plötzlich. Geschafft, schnell raus. Auf geht`s zum letzten gemeinsam Flug. Noch einmal zwei halbe Tage in Sydney.