Abfahrt um 16.20 Uhr mit der Premier Coach Line. Gleich mal 45 Minuten zu spät, zudem ist der Fahrer ein grobschlächtiger, aufbrausender und unfreundlicher Mann, der mich schnell wieder an die reibungslose und sehr angenehme Fahrt mit Greyhound denken lässt. Auch der um ein Drittel günstigere Fahrpreis wird mich nicht mehr überzeugen können, noch einmal mit dieser Buslinie zu fahren. Endlich komme ich um halb zehn im Landstädtchen Hervey Bay im Niemandsland an, nehme ein Taxi und fahre zu meiner neuen Unterkunft. Am nächsten Morgen leihe ich mir ein Mountain-Bike der Familie aus und fahre ans Meer. Nur wenige Kilometer von der Küste entfernt liegt Fraser Island, mein nächstes Ziel. Die Insel ist die weltgrößte Sandinsel, UNESCO-Weltnaturerbe und ein Nationalpark. Sie ist ca. 120 Km lang und bis zu 25 Km breit.
Ich fahre auf einem gut ausgebauten Radweg die Küste entlang und treffe nach wenigen hundert Metern auf einen langen Steg, der weit ins Meer hinausführt. Hervey Bay war bis vor 30 Jahren noch ein wichtiger Umschlaghafen für Öl, Bauholz und Rohrzucker bzw. Rum. Die Waren wurden über eine Eisenbahnstrecke von der Destillery aus Bundaberg bis hierher und sogar noch 800m hinein in das Meer, wo die hochseetauglichen Schiffe anlegen konnten, befördert. Ein kleines Kuriosum ist das Logo der Rummarke: Ein Eisbär, und das im tropischen Teil Australiens. Heute sind von diesem Steg nur noch ca. 300m übrig. Auf den Eisenbahnschwellen stehen an diesen Morgen Dutzende von Anglern, die ihr Glück versuchen. Angeln im offenen Meer vom Land aus ist eine in Australien weit verbreitete Freizeitbeschäftigung, die von jung und alt, Frau und Mann, reich und arm, tagaus, tagein, aber vor allem an den Wochenenden leidenschaftlich betrieben wird. Ein Fischadler und zwei Pelikane versuchen ebenfalls ihr Glück und ziehen über dem Jetty ihre Kreise. Hervey Bay ist eine Kleinstadt, die sich kilometerweit ins Hinterland erstreckt und dabei wie eine unendliche Anhäufung von Farmhäusern anmutet. Die Grundstücke, auf denen die eingeschossigen Holzhäuser stehen, sind riesig. Was dazu führt, dass die Stadt, wie der Großteil der australischen Landstädte auch, eine sehr geringe Bevölkerungsdichte aufweist. Die zweispurige Hauptstraße ist ca. 10m breit. Zur Mittagszeit sind kaum Fahrzeuge unterwegs. Ich fühle mich zeitweise wie in einer Geisterstadt. Die Fahrt auf dem Mountain-Bike wird auch heute wieder zum Spießrutenlauf: Die Elstern sind wieder im Angriffsmodus. Manchmal geht es so schnell, dass ich erst durch das Einschlagen der Krallen auf meinem Fahrradhelm bemerke, dass die Kamikazeflieger wieder einen Angriff geflogen haben. Einige der unangenehmen Vogelfreunde verfolgen mich sogar über Kreuzungen hinweg und stürzen sich immer wieder auf meinen Kopf bzw. meinen Helm. So langsam entwickle ich eine wahre Phobie gegenüber diesen hinterhältigen Vögeln, wenngleich ich das Brutargument natürlich auch nachvollziehen kann. Aber als vorbeifahrender Radfahrer liegt mir nun wirklich nichts an ihren Nestern. Am Nordende der Stadt stoße ich auf drei Bäume, die von weiten wie mit kleinen schwarzen Fähnchen verziert erscheinen. Als ich die Bäume schließlich erreiche, sehe ich, dass hunderte von Flughunden an den Ästen hängen. Später erzählt mir Gunter, mein Host, dass sie sich jeden Nachmittag dort sammeln und dann bei Dämmerung geschlossen hinüber auf Fraser Island fliegen und bei Morgengrauen wieder zurückkommen. Ich bin froh, als ich nach mehr als 5 Std. wieder wohlbehalten zuhause ankomme.
Am nächsten Morgen fährt mich Gunter, dessen Vater ein deutscher Auswanderer war, zum Fährhafen in River Heads. Ich kaufe ein One-Way-Ticket für 33 AUD und ich besteige die Autofähre nach Fraser Island. Nach einer dreiviertel Stunde legt das Boot am Kingfisher Resort an. Er ist einer von drei Anlegestellen für Fähren vom Festland: die zweite, Wanggoolba Creek (Sie wird ebenfalls von River Heads angefahren), liegt ca. 10 Km südlicher und die dritte, Hook Point (Sie wird vom hiesigen Tourismuszentrum Rainbow Beach angefahren), an der Südspitze der Insel. Einen Ranger noch kurz nach dem Weg gefragt und dann geht’s auch schon los. Mein Plan ist es über eine Auto-Piste quer durch die Insel auf die Ostseite und dann Richtung Norden zum Zeltplatz Cathedrals of Fraser zu laufen, insgesamt ca. 50 Km. Ich kalkuliere mit dem einen oder anderen Lift, sodass ich es in 10 Std. schaffen sollte. Schon nach wenigen hundert Metern hört die Teerstraße auf und es geht nur noch auf einer Sandpiste, auf der ich bei jedem Schritt zentimetertief versinke, weiter. Nachdem ich für den ersten Kilometer schon über zwanzig Minuten brauche, schwant mir bereits Übles. Immer wieder zwingen mich vorbeifahrende 4-WD-Monster, die hin und herschwankend mit ungefähr 30 – 50 Km/h über den dünenartigen Untergrund rollen, zum Ausweichen an den Rand der Piste. Dort versinke ich teilweise knöcheltief. Der feine Sand läuft von allen Seiten in meine Schuhe. Ich muss sie mehrmals ausziehen und ausleeren. Als ich die erste größere Kreuzung nach 8,5 Km erreiche, bin ich schon knapp drei Stunden unterwegs. Mein Körper fühlt sich an, als hätte ich jetzt schon die 50 Km hinter mir. Nach einer weiteren Stunde fängt es an zu regnen. Das T-Shirt ist bereits vollständig mit Schweiß durchtränkt, sodass die Regentropfen darauf gar keinen Halt mehr finden können. Ich bin mittlerweile so erschöpft, dass ich versuche Autos anzuhalten. Nach unzähligen Absagen bekomme ich einen kurzen Lift über gut einen Km bis zur nächsten Kreuzung. Ich laufe weiter, es ist 25 Grad heiß, meine 3 Liter Wasservorräte und die Lebensmittel sind schon zur Hälfte aufgebraucht. Dann endlich ein längerer Lift über ca. vier Kilometer. Schließlich erreiche ich die Ostseite der Insel nach sechs Stunden. Sechs Stunden, inklusive Lifts, für 18,5 Km Fahr- bzw. Wanderstrecke, das lässt nichts Gutes für die nächsten 30 Km erwarten! Es hat mittlerweile wieder aufgehört zu regnen. Am Strand ist der Untergrund viel fester, ich komme besser voran, zumindest die ersten Kilometer, dann macht sich aber der Kräfteverschleiß der Inseldurchquerung bemerkbar. Ich schaffe jetzt vier Km die Stunde. Mein 20 Kg Rucksack und mein Daypack, das ebenfalls noch einmal fünf Kilo wiegt, fühlt sich auf meinem Schultern mittlerweile an wie zwei Säcke Zement. Bald setzt die Dämmerung ein. Ich habe bis jetzt ungefähr 27 Kilometer zurückgelegt und versuche noch einmal ein Auto anzuhalten. Nach vielen vergeblichen Versuchen hält schließlich ein weißer 4-WD an. Die zwei Männer erklären mir, dass es nicht klug wäre am Strand in der Dämmerung und nachts weiterzulaufen. Erstens könne man kaum seine Hand vor den Augen sehen und zweitens treiben sich hier überall Dingos herum. Nachdem sie erwähnten, dass sie auf einem offenen Zeltplatz, der nur wenige hundert Meter entfernt liegt wohnen, entschließe ich mich dorthin zu laufen, um irgendwie in ihrer Nähe zu übernachten. Plötzlich kommt das Auto noch einmal zurück und der Fahrer bietet mir an bei Ihnen zu übernachten. Dankend nehme ich an und steige erschöpft in das Auto. Am Zeltplatz, an dem es keinerlei Versorgung gibt, bauen Ron und sein ältester Sohn schnell ein kleines Vorzelt für mich auf. Danach gibt es noch Hamburger, die Tracey, die Mutter der insgesamt drei Kinder, für uns zubereitet. Noch nie hat mir ein Burger so gut geschmeckt, abgesehen davon, dass er auch mit frischem Gemüse und Salat belegt ist. Steven, der Beifahrer und Rons Freund, bringt mir noch einen Scotch (Singlemalt!) vorbei. Jetzt schaut die Welt schon wieder ein bisschen besser aus.
Ron und Tracey waren, bevor sie die drei Kinder bekamen, viel als Backpacker auf Reisen, davon zwei Monate in Europa und auch in Deutschland. Sie machen jedes Jahr – meistens mehrmals – Campingurlaub auf Fraser Island. Einmal im Jahr beteiligen sie sich an der großen Säuberungsaktion, an der Freiwillige aus ganz Australien teilnehmen, um den Unrat wieder einzusammeln, den die Camper trotz aller Hinweise doch immer wieder zurücklassen. Meistens sind die beiden hier mit befreundeten Familien in ihrem 4WDs und ihren Trailern unterwegs. Sie haben vom Solarpanel, Toiletten- und Duschzelten bis zum Gefrierschrank alles an Board. Perfekte Camper, aber Campen hat hier insgesamt mehr Abenteuercharakter und ist nicht ganz so komfortabel – und manchmal auch etwas unentspannter – als bei uns in Mitteleuropa. Wenn man Müll oder Lebensmittel oder auch nur Lebensmittelreste für ein paar Minuten außer Auge lässt, kommen die bis zu 60 cm großen Warane und fressen die Nahrung sofort bzw. bringen sie in ihre Behausungen und verzehren sie dort. Die Dingos spähen die Plätze gerne im Vorfeld aus, beobachten die Camper bei ihren Gepflogenheiten und kommen, wenn der Platz einmal mal länger unbeaufsichtigt ist und holen sich dann mitunter auch Lebensmittel aus den Zelten oder gar aus Kühlschränken und Vorratstruhen.
Um zehn Uhr ist es totenstill am Zeltplatz. Ich liege auf einer dünnen Isomatte und brauche eine Weile bis ich einschlafe. Um halb vier wache ich auf. Es ist kalt. Ich habe mir zwischenzeitlich schon eine zweite Lage Klamotten übergezogen und mein Handtuch über meinen Schlafüberwurf gelegt. Ich nicke noch einmal kurz ein. Kurz nach sieben Uhr erwacht der Zeltplatz. Ron und Tracey laden mich zum Frühstück ein. Es gibt Müsli und Kaffee. Sie erzählen mir, dass sie mit Steven und seiner Familie beschlossen haben zum nahen Eli Creek zu fahren, um dort den Tag zu verbringen. Eli Creek läge in meiner Richtung, sagen sie und sie könnten mich auch mitnehmen. Das heißt, ich erspare mir ca. 10 Km Fußmarsch am stark befahrenen Strand. Ich juble innerlich. Nach einer zehnminütigen Fahrt entlang des Strandes erreichen wir unser Ziel.
Auf Fraser Island gibt es mit Ausnahme innerhalb des Resorts keine geteerten Straßen. Um zügig voran zukommen wird kurzerhand der Sandstrand – vornehmlich an der Ostküste – als Piste genutzt. Eine tolle Spielwiese für die Männer in ihren aufgemotzten 4-WDs – und gelegentlich auch für Frauen. Die motorisierte Fortbewegung hängt ausschließlich vom Tidenhub ab. Ist gerade Ebbe, dann ist der Strand auf einer Breite von ca. 8m auf festem Untergrund problemlos zu befahren und die Fahrzeuge rasen mit bis zu 80 Km/h aneinander – und an mir – vorbei. Steigt das Meerwasser wieder an, verengt sich die Fahrbahn entsprechend, bzw. sie verlagert sich weiter landeinwärts, wo der weiche Sand das Fahren mitunter recht schwierig macht. Dort, wo Meerwasser auf den Strand kommt, ist es ausdrücklich verboten zu fahren. In der Hauptsaison sind 1000 Fahrzeuge auf der Insel, aber auch jetzt ist teilweise mächtig viel los auf der Sandautobahn.
Der Bach entspringt aus einer artesischen Quelle, die unter Queensland ihren Ursprung hat. Das Wasser ist glasklar und angenehm frisch. Ich laufe einige 100m stromaufwärts. Dort fülle ich mein Trinkwasser auf und springe weiter unten in das angenehme Nass und lasse mich hinunter ins Meer treiben. Endlich komme ich nach 24 Stunden schwitzen – und frieren – zu meinem wohlverdienten Bad. Danach verabschiede ich mich von Ron und Steve und ihren Familien und breche zu Fuß in Richtung Cathedrals of Fraser auf. Nach ungefähr eineinhalb Stunden erreiche ich das Wrack des ehemaligen Luxusliners S.S. Maheno. Die Schiff liegt dort seit 80 Jahren, nachdem es bei einem Zyklon hier an der Insel gestrandet war. Ich setzte meinen Weg nach einem kurzen Stopp wieder fort bis ich den „Flughafen“ auf Fraser Island erreiche.
Air Fraser bietet mehrmals täglich Flüge auf die Insel an. Die einmotorigen Propellermaschinen landen und starten dabei auf dem auch von den Autos befahrenen Strand. Die Landebahn ist auf der einen Seite mit zwei Öltonnen und auf der anderen mit zwei Baustellenhütchen markiert. Der Tower ist ein 4-WD, der an einem Ende der Piste steht. Manchmal, wenn ein Flugzeug im Anflug ist, wird die Piste kurzerhand gesperrt, aber meistens funktioniert das Neben- und Miteinander der hiesigen Straßenverkehrsteilnehmer wie im Reisverschlussverfahren. Als ich die erste Tonne erreiche, ist weit und breit kein Flugzeug zu sehen. Nach einigen hundert Metern fährt der „Tower“ an mir vorbei und fordert mich auf, weiter nach oben zu gehen. Kurz danach landen zwei Maschinen in zwanzig Metern Entfernung von mir auf dem sandigen Untergrund. Einige Kilometer später hält neben mir plötzlich ein weiteres Fahrzeug des hiesigen Bodenpersonals von Air Fraser. Der Fahrer, der gerade seinen Pilotenschein macht und dazu auch ein Praktikum am Boden absolvieren muss, gibt mir einen Lift bis zum Zeltplatz von Cathedrals. Dort werde ich bereits erwartet. Nachdem ich online zwei Nächte gebucht hatte, kann ich somit wenigsten eine in einem Permanent Tent verbringen. Auf einer guten Matratze, in einem richtigen Bett, mit Toiletten, Duschen und einem Restaurant, in dem ich mir am Abend noch Fish and Chips und eine Cola genehmige, erhole ich mich ein wenig von den letzten 36 Stunden. Um halb neun falle ich wie tot ins Bett.
Ausgeschlafen packe ich meinen Rucksack, reinige mein Zelt und laufe noch hinauf zu den Sandverwehungen, die sich nur einen Kilometer nördlich vom Campingplatz befinden. Die Verwehungen entpuppen sich eher als Dünen und erinnern mich mehr an eine Wüstenlandschaft als an eine tropische Insel. Wieder zurück schnappe ich mir meinen Karton, den ich am Abend vorher mit meinem nächsten Ziel beschriftet habe und laufe zur Rezeption. Dilli Village liegt 40 Km entfernt und ist nach meinen bisherigen Erfahrungen im Sand unmöglich an einem Tag zu schaffen. Daher die Vorbereitungen zum Trampen, zumindest für einen Teil der Strecke. Beim Auschecken komme ich mit der Frau ins Gespräch, die mir meine Buchung bestätigt hatte. Sie war ein wenig überrascht, dass ich die erste Nacht nicht da war. Ich nicht -mehr, dachte ich mir. An einem Tisch unweit der Rezeption sitzt ein weiterer Angestellter des Campingplatzes. Er heißt Harvey, ein Freund kommt hinzu, Felix. Die beiden sind Briten, haben hier versucht zu studieren, aber es war ihnen alles ein wenig zu mühsam. Jetzt leisten sie gerade ihre drei Monate „Farmarbeit“ am Campingplatz ab, um den nächsten Schritt zum Residentvisum zu gehen. Sie fragen mich was ich vorhabe und so ergibt sich, dass mir die beiden an ihrem freien Tag anbieten mich nach Dilli zu fahren. Ihnen falle hier in der Anlage schon die Decke auf den Kopf sagt Harvey, immer nur arbeiten, wenig Raum für Feiern und immer die gleichen Leute sehen. Also rein in den 4-WD und los! Während der Fahrt unterhalten wir uns über das Reisen, die Bedeutung von Geld für den Weltfrieden, und und und. Die Jungs brechen nächsten Monat nach Süd-Ost-Asien auf, insgesamt werden sie drei Jahre von zuhause weg sein.
Zur Mittagszeit erreichen wir den Uni Campus in Dilli. Gerade reist eine Gruppe mit 45 Studenten ab. Was ich nicht wusste, ist, dass es hier keinerlei Verpflegung gibt, auch keine Möglichkeit irgend etwas zu kaufen. So empfiehlt mich Dianne, die den Campingplatz mit ihrem Mann Bruce führt, dem „Chefkoch“, der die abgereisten Studenten die Woche über versorgte. Am Abend gibt es Rindfleisch in Rahmsoße, gebratenen Fisch, Grillgemüse und Bratkartoffeln. Ich wohne hier in einem Bunk-Room mit zwei Betten. Weil ich Lehrer bin, bekomme ich einen Nachlass, sodass ich für die beiden Nächte 40 AUD bezahle. Die anderen Gäste, die noch eintreffen, haben alle ihre Zelte und Wohnwägen dabei, sodass ich das Zimmer für die nächsten zwei Nächte für mich alleine habe. Ich werde, wie alle anderen Neuankömmlinge auch, gebrieft. Vor einigen Tagen gab es an der Anlage einen „Dingovorfall“. Ein kleines Mädchen wurde von einem der freilebenden Wildhunde gebissen. Sie saß alleine am Strand und war, als sie den Hund gesehen hatte, weggelaufen. Von seinem Jagdinstinkt getrieben verfolgte er die „flüchtende Beute“ und biss das Kind in den Arm. Erst als Erwachsene, die von den Schreien alarmiert wurden, hinzukamen, flüchtete der Hund. Insbesondere Eltern und ihre Kinder, aber auch alle anderen werden eindringlichst darauf hingewiesen, die umzäunte Anlage (dingo-safe) nur in Gruppen zu verlassen und Kleinkinder auf den Schultern zu tragen. Falls die Dingos die Person/Gruppe umkreisen empfehlen sie den Eltern Rücken an Rücken zu stehen, die Kinder in die Mitte zu nehmen und mit den Händen die Kinder zu umschließen, nicht nach den Hunden zu treten oder zu schlagen. Nur dastehen, streng dreinblicken und wenn sich die Wildhunde nicht entfernen, um Hilfe zu rufen. Mir fällt mein erstes Zusammentreffen mit einem jungen Dingo von vorgestern wieder ein. Er kam auf mich zu als ich am Strand stand und ein einige Fotos machte. Er umkreiste ein paar Mal meinen Rucksack. Ich entfernte mich langsam ein paar Meter von beiden, als sich auch schon ein Auto näherte und mir Hilfe angeboten hatte. Die beiden Fahrer gaben mir einen kurzen Lift von einem Kilometer und setzten mich dann wieder am Strand ab. Der Dingo war in der Zwischenzeit im Busch verschwunden. Tagsüber lassen sie sich am Strand bei den vielen vorbeirasenden Autos gar nicht blicken, aber dieser war wohl zum einen neugierig und hatte wahrscheinlich auch Hunger gehabt. Für Erwachsene sind die Hunde ungefährlich, solange sie sich nicht schnell bewegen (joggen) oder die Hunde in Rudeln auftreten. Für meine morgige Wanderung hat mir Dianne gleich einen Stock bereitgestellt, der meine Alpharolle verfestigen soll. Wir werden sehen!
Nach dem Aufstehen treffe ich Gram den Koch, der mir noch Müsli, Milch und ein paar Früchte zusteckt, bevor er wieder aufs Festland zurückfährt. Um neun Uhr mache ich mich mit meinem Stock und zwei Liter Wasser auf den Weg zum Lake Boomijian. Die Wanderung ist ein Teilabschnitt des Great Island Walk´s, der hier in Dilli Village endet bzw. anfängt. Insgesamt ist der Wanderweg 100 Km lang. Er führt unterhalb der Umzäunung am Eingangstor direkt in den Busch hinein. Der Pfad ist gut zu sehen und auch relativ leicht zu gehen. Nach einer Stunde erreiche ich den auf der Karte eingezeichneten „Sandblow“. Ein kleines Hinweisschild schickt mich 20 Meter auf weichen Sand steil nach oben. Das, was ich dann zu sehen bekomme ist beeindruckend. Eine riesige Sanddüne, die ungefähr 300m lang und an der breitesten Stelle 100m misst. In der Mitte befindet sich eine Auswehung von ca. 20m Durchmesser. Am Dünenrand beginnt mit niedrigen Sträuchern gleich wieder der Busch. Nur zwei menschliche Fußspuren – außer meiner eigenen, kann ich hier oben erkennen und eine Dingospur. Ich folge ihnen etwa 100 m und schaue mir die Düne von innen heraus an: Eine Miniwüste mitten im Buschwald auf Fraser Island. Nach 15 Minuten Umherstreifen mache ich mich wieder auf Weg zum See, den ich nach einer weiteren Dreiviertelstunde erreiche. Auf einer kleinen Anhöhe befindet sich der eingezäunte Campingplatz, etwas davon entfernt ein weiterer umzäunter Bereich, der den Besuchern dazu dienen soll, in Ruhe Essen zu können und sich auch mit Kindern ohne größeren Problemen aufzuhalten. Um den See herum sollen einige Dingos leben, die, wenn sie Nahrung nur riechen sehr neugierig und gelegentlich auch aufdringlich werden sollen. Der See dient den Butchulla, den Ureinwohnern Fraser Island´s, auch heute noch als Veranstaltungsort für Zeremonien. Das Baden dort ist eigentlich nicht gewollt, trotzdem spielen Kinder in dem seichten Wasser und auch Erwachsene gehen hinein und schwimmen. Der Grundwassersee hat eine Länge von ca. einem Kilometer und eine Breite von ca. 200 m. Es gibt außer Frischwasserschildkröten keine im Wasser lebenden Seebewohner. Im Uferbereich leben aber viele Insekten, Vögel, Carpet Snakes (eine Pythonart) und kleinere Nagetiere wie Ratten und Mäuse. Das Wasser ist wegen der im Wasser gelösten Gerbstoffe (Tannine) der Pflanzen am See, ganz braun, zumindest am Rand, weiter im See verändert sich die Farbe zu Blau hin. Nur wenige abgestorbene Bäume stehen noch am Ufer, im Wasser ist nur eine einzige Schilfart in Ufernähe zu sehen. An zwei Seiten geht der Uferbereich sofort wieder in Sandverwehungen über, an den anderen beiden Seiten reicht der Buschwald sehr nahe an das Wasser heran. Nach einer Stunde mache ich mich wieder auf den sechs Kilometer langen Heimweg. Außer drei weiteren Wanderern begegne ich heute auf meinem Ausflug niemanden. Auch die Dingos lassen sich nicht blicken. Aber amit kann ich aber ganz gut leben. Als ich zurückkomme schwimme ich noch eine kleine Runde im Campground „Swimhole“. Dianne wünscht mir mit dem Hinweis ein Auge auf die vielleicht ebenfalls im Wasser umherschwimmenden Schlangen zu haben, viel Spaß im kalten Nass. Neben den Wasserschlagen leben auf dem Campingplatz noch eine Menge anderer Wildtiere. Eine ca. 2m lange Python, einige recht freche und teilweise aggressive Warane und ein Regenpfeiferpärchen, das gerade brütet. Alle, die ihrem Brutplatz zu Nahe kommen, werden zuerst vom Männchen beschimpft und dann angeflogen, aber nicht attackiert. Der Campingplatz ist versorgungstechnisch nahezu autark. Der Strom wird über eine Photovoltaikanlage selbst produziert, das Abwasser wiederaufbereitet, und das eigentlich trinkbare Grundwasser vorsorglich noch einmal gefiltert. Es gibt keine Abfalleimer, die Abfälle müssen alle gesammelt und wieder mit nach Hause genommen werden. Zum Duschen, Waschen und Spülen müssen die vom Campingplatz bereitgestellten Waschmittel, aber auch das Campingklopapier benutzt werden. Neben den Bunk-Rooms gibt es noch sogenannte Cabins mit bis zu fünf Schlafmöglichkeiten, einer integrierten Küche und Dusche. Richtung Meer ist der Campground für Zelte, Anhänger und Trailer, und darüber sind noch einige Stellplätze mit eigenständiger Stromversorgung. Viele der Camper haben ihre eigenen Solarpanels dabei. Außerdem finden sich an den Randbereichen überdachte Grillplätze, die mit Gasgrills und Sitzmöglichkeiten ausgestattet sind. Alle festen Behausungen sind wie die Queensländerhäuser auch, auf Stelzen gebaut. Am Abend werde ich noch von Dianne und Bruce, der mir morgen einen Lift nach Rainbow Beach geben wird, zum Essen eingeladen. Die beiden kümmern sich wirklich rührend um mich. Vielen Dank!
Die Fähre vom südlichen Hook Point von Fraser Island verkehrt viel behelfsmäßiger als jene am Kingfisher Resort. Das Boot kommt einfach so nah wie möglich an den Strand heran, öffnet seine Bugschleuse und schon fahren die am Ufer wartenden Fahrzeuge auf die Fähre. Zwölf Fahrzeuge finden darauf Platz. Es gibt weder eine Anlege- noch eine Ticketverkaufsstelle. Die Fahrzeuge parken so eng aneinander, dass man kaum aussteigen kann. Ein Angestellter der Fährbetreiber quetscht sich zwischen den Autos durch und kassiert den Preis für die Überfahrt. Die Klappe wird wieder geschlossen und schon geht es auf die andere Seite. Dort gleiches Prozedere: Strand anfahren, Klappe auf und die einen runter und die anderen rauf und schon geht`s wieder zurück.
Ich treffe zwei Stunden vor der Abfahrt meines Buses in Rainbow Beach ein, gehe am Strand spazieren und frühstücke dann noch in einem der Cafés an der Hauptstraße. Der Greyhound fährt pünktlich ab und nach fünf Stunden erreiche ich Brisbane, bezeichnender Weise wieder im Regen. Am nächsten Morgen geht es mit Fiji Airways nach Nandi.