Pünktlich mit Fiji Airways aus Nandi in Apia, der Hauptstadt Samoas auf der Hauptinsel Upolu gelandet. Als ich den Flughafen verlasse, spricht mich ein Taxifahrer an, wir verhandeln den Fahrpreis und los geht es zu meinem neuen AirBnB-Quartier in einem Vorort von Apia. Es ist bereits sieben Uhr abends, aber immer noch sehr heiß, mein T-Shirt trieft vor Schweiß und haftet wie eine selbstklebende Folie an meinem Körper. Der Bungalow liegt oberhalb eines Flusses. Als ich ihn betrete kann ich kaum atmen. Die Luft ist zum Schneiden. Ich laufe zur Balkontür, um sie zu öffnen. Doch dann sehe ich die Triaden von Moskitos, die sich bereits ihre Nase an den Fensterscheiben plattdrücken und nur darauf warten, dass sich das Großstadtkind kurz vergisst und sie sich auf die Blutkonserve stürzen können. Kein guter Plan. Ich gehe ins Schlafzimmer und finde schließlich, über dem Schrank –gut versteckt, die in der Ausschreibung erwähnte Klimaanlage. Nach zehn Minuten wird es einigermaßen erträglich, zuerst nur im Schlafzimmer, dann aber auch im Rest der Wohnung. Obwohl wie so häufig eine kleine Küche und ein Essbereich mit dabei sind, entschließe ich mich am Abend dazu, mir ein Taxi rufen zu lassen. Der Fahrer bringt mich zu seinen „Lieblingschinesen“ – und das sogar gleich um die Ecke! Und dieses Restaurant bekommt von mir eine Auszeichnung der besonderen Art: Es war das erste Mal auf meiner Reise, dass ich meine Bestellung – ein einziges Gericht – nicht vollends geschafft habe und sehr lecker war es zudem.

Am nächsten Morgen mache ich mich auf den Weg hinunter zur großen Ringstraße, die einmal um die Insel führt, nach Apia. Nach einer Weile treffe ich auf einen kleinen Stand mit Obst, vor allem Bananen: kleine, große und sehr große, die aber laut Auskunft nur zum Kochen geeignet sind, aber auch Papayas und Mangos liegen auf zwei Brettern, die behelfsmäßig am Gartenzaun des Grundstücks befestigt wurden und als Verkaufsfläche dienen. Der Landwirt, der seine Plantage direkt dahinter hat, schlägt gerade mit seiner Machete eine Bananenstaude vom Baum. Sein Sohn legt das frisch geerntete Obst auf die Bretter. Ich will einige von den kleinen Bananen kaufen, aber der Junge erklärt mir, dass man immer ganze Stauden kaufe müsse. Die Staude kostet 4 Tala, was ungefähr 1,80 Euro sind. Eigentlich ein Klacks, aber die Staude hat mindestens drei Kilo. Ich versuche dem Jungen mein Dilemma zu erklären, aber wohl vor allem mangelnde Sprachkenntnisse verhindern eine Einigung. Als sein Vater hinzukommt, schildert der Sohn ihm offenbar kurz das Problem. Der Mann fragt mich woher ich käme. Ich erzähle ihm meine Geschichte. Obwohl er meinen Worten aufmerksam und lächelnd folgt, will auch er mir nicht eine, wenige oder auch nur eine halbe Staude seiner kleinen Bananen verkaufen und schlägt mir ebenfalls vor, die ganze Staude zu nehmen. Als Geschenk, fügt er plötzlich hinzu. Als Geschenk für mich und mein Land! Ich bin überrascht von dieser Gastfreundlichkeit und der scheinbar positiven Einstellung gegenüber den ehemaligen Kolonialherren. Damit einhergehend muss ich aber schließlich akzeptieren, dass ich hier nur ganze Bananenstauden erstehen kann. Ich kapituliere und ziehe meinen Geldbeutel, um wenigstens zu bezahlen. Aber der Mann akzeptiert keine Bezahlung der vorzüglich aussehenden Bananen. Wir blicken uns kurz in die Augen, dann willige ich, ohne eine weitere und wohl auch nicht weiterführende Diskussion zu riskieren, kopfnickend ein, bedanke und verabschiede mich und laufe mit meiner Bananenstaude weiter Richtung Hauptstraße, um ein Taxi anzuhalten. Bis wir die Stadt erreichen habe ich schon mal fünf – kleine – Bananen geschafft. Fast wären es einige mehr gewesen, aber der Taxifahrer lehnt mein Angebot dankend und mit einem breiten Grinsen ab.

Der gemeine Samoaner ist äußerst freundlich und hilfsbereit. Ob Obstverkäufer, Bungalowvermieterin oder gar Taxifahrer, die ja erfahrungsgemäß eher der Gruppe der verschlagenen Gesellen angehören, alle haben sie stets ein Lächeln auf den Lippen und sind ausgesprochen umgänglich. Ein wenig gewöhnungsbedürftig ist ihr äußerst leiser, fast flüsternder Tonfall und ihre weiche positive empathische Art; fast schon ein wenig unterwürfig.

In der Stadt besuche ich zuerst die katholische Kirche der unbefleckten Empfängnis. Dort, wo heute das neu erbaute Kirchengebäude steht, stand vorher die Mulivai-Kathedrale. Sie war mit ihren beiden wuchtigen Türmen und der markanten weißen Fassade das Wahrzeichen der Stadt. Die Kathedrale wurde 1885 erbaut und im März 2011 abgerissen. An der gleichen Stelle wurde 2014 ein neues Gebäude, eben die Kirche der unbefleckten Empfängnis Marias, fertiggestellt. Apia wurde 1966 Bistum und 1986 zum Erzbistum erhoben und ist somit der Mittelpunkt des katholischen Kosmos’ in der Südsee. Ich gehe von der Straße aus die Treppen zum Haupteingang hinauf. Alle 16 Türen der Kirche stehen offen. Das Kirchenschiff ist lichtdurchflutet und es weht ein leichter Wind, wunderbar erfrischend. Auf den ersten Blick wirkt alles sehr europäisch, doch bei genauerer Betrachtung entdecke ich einige kleine insulare Besonderheiten: Ein Lichteinlass an der Decke mit einem Jesusbild und Eingeborenen; die vielen Schnitzereien und Bilder enthalten Frucht- und Pflanzenmotive; die Decke ist vollständig in dunklen Tropenholz ausgekleidet; der Boden ist gefliest. Nebenan im Kirchencafé trinke ich noch einen Flat White (Ein Cappuccino mit Latte Art verziert) und esse Pancake mit Mango, Bananen und gebratenen Schinken zum Frühstück. Danach laufe ich über den Fischmarkt und den zentralen Busbahnhof zur Halbinsel im Nordwesten der Stadt. Auf dem Weg stoße ich auf die Sendergebäude zweier christlichen Radiostationen und auf zwei Denkmäler aus der deutschen Kolonialzeit. Das eine ist deutschen Matrosen gewidmet, die bei einem Wirbelsturm starben, als sich ihr Kriegsschiff im Hafen von Apia befand. Das andere ist der Fahnensetzung der deutschen Reichsflagge durch deutsche Marineeinheiten im Jahr 1900 gedacht. Darüber hinaus findet man in der Nähe des Hafens noch einige Gebäude aus kolonialer Zeit. Das auffallendste Überbleibsel der deutschen Kolonialzeit ist aber die in Samoa immer noch weitverbreiteten deutschen Familiennamen. So ist der Nachname meiner Vermieterin Schwalger. Ihr Mann ist Nachfahre eines deutschen Siedlers aus Mecklenburg. Eine ihrer Nichten war sogar einmal die Schönheitskönigin Samoas (Das wiederum habe ich im Samoa Observer gelesen!). Ein Herr Keil hat es zum Wirtschaftsminister Samos gebracht und betrieb das einzige McDonalds Restaurant Samoas. Andere häufiger anzutreffende deutsche Nachnamen sind: Ott, Winterstein und Mohr ( Grüße an die RS Langenzenn!) An der Spitze der Halbinsel trinke ich auf der Terrasse des Sails Café, bei dem am Eingang ein Emailschild mit der Aufschrift „Honorarkonsulat Finnland“ prunkt, mit tollem Ausblick auf die Lagune meine E R S T E Kokosnuss (Und das als Geograf!). Schmeckt sehr fein, obwohl ein klein wenig bitter, doch sehr erfrischend. Als ich wieder an meinem Bungalow eintreffe mache ich mir zum Abendessen noch ein Müsli mit zwei Bananen. Es hängen immer noch 15 an der Staude. Diesen Tag kann ich doch schon mal unter dem Motto „gesunde Ernährung“ abhaken.

Es ist Sonntag morgen, ich gehe in den Gottesdienst der katholischen Kirche. Es ist schon der Dritte an diesem Tag. Der Erste war um 6.00 Uhr, der zweite um 8.00 Uhr (beide in der Landessprache) und jetzt um 9.30 Uhr der letzte in englischer Sprache. Die Kirche ist nur zu einem Drittel besetzt. Die Türen sind wieder alle offen. Die Liedtexte werden per Beamer auf eine Leinwand projektiert und laden so förmlich zum Mitsingen ein. Der ganze Gottesdienst wird wie schon in Rarotonga von einer choralen Stimmung geprägt, die bei mir eine gewisse Leichtigkeit und beschwingte Stimmung hervorruft. In der Predigt geht es um die Bedeutung von Geld. Seine pure Anhäufung wird förmlich verdammt, eine Aufforderung mit anderen zu teilen postuliert. Am Ende nehmen die Gläubigen noch das heilige Abendmahl zu sich. Danach geben sich alle noch einmal die Hand und jeder bedankt sich bei seinem Banknachbarn für sein Kommen und wünscht ihm einen guten Nachhauseweg. Alles ganz nett, aber für mich bestätigt sich doch der Eindruck aus Rarotonga: Die evangelischen Gottesdienste sind farbenfroher, heiterer, lockerer, musikalisch vielfältiger und insgesamt einheimischer geprägt als die katholischen.

Die Stadt ist sonntags wie ausgestorben. Alle Läden, Ämter und auch die meisten Restaurants und Cafés haben geschlossen, nicht einmal der öffentliche Nahverkehr rollt (Gefühlt quasi ein Goldrausch für die Taxifahrer). In einigen Schaufenstern erstrahlt schon die Weihnachtsdekoration. Ich nutze die leeren Straßen um ein paar Bilder zu machen. Am Nachmittag schlendere ich noch ein wenig durch die Nachbarschaft und laufe dann noch einmal in die Stadt, um dort zu Abend zu essen. Am Hafen finde ich schließlich ein Steak House und gönne mir ein Rumpsteak mit Pommes. Mit dem Taxi wieder zurück zum Apartment und dann früh ins Bett. Zum Abschluss des Tages gönne ich mir die letzte Banane meiner Staude. Morgen steht die Reise nach Savaiì, der nördlicheren der beiden Hauptinseln an.