Der Tongariro-Nationalpark ist der viertälteste Nationalpark weltweit. Er zählt sowohl zum Weltkultur- als auch zum Weltnaturerbe der UNESCO. Im Zentrum des Parks befinden sich drei in den letzten 50 Jahren relativ aktive Vulkane: der Tongariro (1968 m), der Ngauruhoe (2291 m) und der Ruapehu (2797 m), der der höchste Vulkan Neuseelands ist. Auf dem Gebiet des Nationalparks befinden sich mehrere Kultstätten der Maori, die die Vulkane als heilig verehren. Die Region war auch einer der Drehorte zu Herr der Ringe. Die Szenen in Mordor, dem Reich Saurons wurden unter anderem hier gedreht. Die touristischen Hauptorte sind Turangi und Ohakune, die beiden kleineren Ortschaften National Park Village und Whakapapa sind eigentlich nur im Winter zum Ski- und Snowboard fahren und im Sommer zum Wandern und Berg steigen belebte Orte. Außerhalb dieser Zeiträume sind sie nahezu ausgestorben. National Park Village ist mein Standort für die nächsten vier Nächte. Die Ortschaft hat außer ein paar Namenskuriositäten nicht wirklich viel zu bieten: Das Ski Haus als meine Backpackerunterkunft und die Schnapps Bar als mein präferierter Pub bzw. meine Lieblingsspeisegaststätte (Die besten Burger seit langem!)
Am Morgen nach meiner Ankunft fahre ich mir drei Mädels aus dem Ski Haus nach Whakapapa auf ca. 1100 m Höhe. Sie erzählen mir von einem Wanderweg zu zwei Bergseen, während sie sich für den heutigen Tag vorgenommen haben mit dm Sessellift auf den Ruapehu hinauf und auch wieder herunter zu fahren. Ich nehme ihre Empfehlung gerne auf und mache mich auf den Weg zu den beiden Tama Lakes und wieder zurück (Gesamtlaufzeit ca. fünf Stunden, 17 km). Der Weg führt erst am Chateau Tongariro vorbei, dann durch Laubwald zum ca. eine halbe Stunde entfernten Taranaki Wasserfall. Dann geht es durch eine Steppenlandschaft, in Schutzkontakt zum Ruapehu, bis vor die Füße des Ngauruhoe, wo aufgrund der hochalpinen Lage, wenn überhaupt, nur noch inselhafte Vegetation zu sehen ist. Der Weg ist nicht sonderlich schwierig, umso überraschter bin ich, dass so wenig Wanderer unterwegs sind. Die Aussicht auf 1440 Meter Höhe vom letzten Sattel, direkt vor dem oberen Tama See und dem Ngauruhoe und hinüber zum Ruapehu ist spektakulär und weckt in mir tatsächlich auch Erinnerungen an Bilder aus Herr der Ringe. Der Himmel ist wolkenlos und tiefblau, aber Wind pfeift mir nur so um die Ohren. Erst nachdem ich mich hinter einen Felsen auf den Boden gesetzt habe und mein Mittagessen zu mir nehme, kann ich mich in der Sonne auch wieder ein wenig aufwärmen. Als ich zurückgehe, treffe ich eine Joggern in kurzer Hose und T-Shirt. Kurz nach ihr trifft ihr Partner ein. Ebenfalls in kurzer Hose, dazu im Muskelshirt. Entweder sind die verrückt oder ich bin doch nicht so hart wie ich immer glaubte.
Am nächsten Morgen steht der Tongariro Alpine Crossing auf meiner To-do-List. Der Treck gehört zu Neuseelands „10 Great Walks“. Er ist allerdings auch einer der am meistgelaufenen Eintagestouren Neuseelands. Um 7.00 Uhr werde ich von einem Shuttlebus abgeholt und zur Mangatepopo Hut gebracht. Vom Parkplatz führt ein relativ sanft ansteigender Weg, teilweise über Stegkonstruktionen durch eine Moorland- und dann Steppenlandschaft hinauf zu den Soda Cascades. Dort beginnt der erste steile Anstieg und mit ihm wird es schlagartig trockener. Die letzten Grasflächen und Büsche liegen schon weit zurück im Tal. Am Horizont sehe ich den Mount Taraniki, das erste Mal ohne ein ihn verdeckendes Wolkenfeld. Vorbei an Lavaströmen, geht es weiter mitten durch, von der Verwitterung zu riesigen Schotterflächen zerlegten, Felslandschaften, in eine mondähnliche, triste und staubige Umgebung. Am Fuß des Ngauruhoe vorbei erreiche ich die höchste Stelle des Trecks, den roten Krater auf 1886 m. Da ich gut in der Zeit liege, entscheide ich mich noch zu einem kleinen Umweg über den Gipfel des Tongariro. Der Gipfel liegt einen Kilometer und 100 Höhenmeter entfernt. Auf dem Gipfel pfeift der Wind, aber der Blick hinunter an die Westküste mit dem Mount Taranaki, hinüber zum Ruapehu und Ngauruhoe und im Süden auf den Blue Lake ist die verdiente Belohnung für meine Extraarbeit. Danach geht es über die Emerald Lakes zum Blue Lake und dann weiter über den Ketetahi Shelter hinunter zur Basisstation. Hier und da steigt Qualm aus schmalen Erdschlitzen auf. Diese letzten acht Kilometer ziehen sich in die Länge. Der Weg führt zuerst entlang eines Tales hoch über dem unten fließenden Bach, dann weiter durch Steppenlandschaften und die letzten Kilometer schließlich durch Laubwald bis zum Parkplatz.
Was mich in den Nationalparks Neuseelands – und auch schon Australiens – sehr beeindruckt, ist das Müllkonzept: Es gibt keine Mülltonnen. Jeder muss das, was er mitbringt auch wieder mit nach Hause nehmen! Müll in der Landschaft zurückzulassen wird mit empfindlichen Geldbusen geahndet. Es scheint sowohl in Neuseeland als auch in Australien zu funktionieren. Ich sehe weder entlang des Weges noch sonst wo im Wald oder auf den Zufahrtsstraßen Müll herumliegen. Ein wenig denunziantisch wirken die vielen Hinweisschilder mit der Aufforderung Umweltverschmutzer zu melden. Die Telefonnummer der Parkbehörde wirkt fett und übergroß gedruckt wie ein erhobener Mittelfinger mit Ausrufezeichen. Aber der Erfolg gibt dem Konzept recht!
Der Shuttlebus bringt uns gegen 17.00 Uhr wieder zurück zum Ski Haus. Ich bin inklusive des kleinen Abstechers auf den Tonagariro Gipfel insgesamt ca. 20 km und acht Stunden unterwegs. Meine Beine sind schwer und müde bin ich auch. In der Schnapps Bar vernichte ich noch in weltrekordverdächtiger Geschwindigkeit meinen Beefburger und falle dann um neun Uhr erschöpft, aber sehr zufrieden, in mein Bett. Am nächsten Tag ist Erholung angesagt. Gemütlich frühstücken, ausgiebig zu Mittag essen, im „Station Café“ einen Cappuccino trinken und dazu ein Stückchen Apfelkuchen genießen. Am Abend gönne ich mir einen Thaisalat mit Rindfleisch und trinke dazu ein Pint Craft Beer. Erholung geglückt!
Am nächsten Tag geht es um 15.00 Uhr bei strahlend blauen Himmel mit dem Intercity Bus weiter nach Wellington, das ich nach fünf Stunden bei Dauerregen um 20.30 Uhr erreiche.
Mein Airbnb Quartier liegt in Laufnähe zur Innenstadt. Neuseelands Hauptstadt ist klein aber fein: Nicht so geleckt wie Auckland, aber dafür präsentiert es sich sehr bunt, alternativ und kreativ. Auf dem Weg zum Hafen stoße ich auf sehr viel Graffiti, Plakate und Stoffbanner an Häusern, Hallen oder Mauern. Etliches davon ist politisch motiviert, anderes wohl schlicht als Straßenkunst zu bezeichnen. Cuba Street ist der (sub) – kulturelle Mittelpunkt der Stadt. Der mittlere Abschnitt davon ist Fußgängerzone. Dort ist alles was das Herz eines Fürther Kleinstadtbewohners begehrt: Plattenläden, Cafés, multikulturelle Restaurants, Kunsthandwerk, coole Boutiquen, tolle Pubs, Kleinkunstbühnen und Clubs. Es gibt eine Reihe historischer Gebäude entlang der Straße. An jeder Ecke spielt ein Straßenmusikant. Es werden Kunststücke aufgeführt oder auf kleinen, am Boden liegenden, Decken Lebensbänder und ähnlicher Schnickschnack verkauft. An einigen Stellen, insbesondere auf dem Straßenbelag, sehe ich Risse als Auswirkungen des jüngsten Erdbebens. Das Beben fand eigentlich vor der Südinsel statt, aber auch hier in der Hauptstadt auf der Nordinsel waren die Erschütterungen zu spüren. Ich war zu jener Zeit in Rotorua, wo ich rein gar nichts mitgekriegt habe. Das Stadtzentrum Wellingtons war aber für einige Tage für den öffentlichen Verkehr gesperrt worden.
Am Nachmittag trinke ich einen Kaffee an der Waterfront, die mit ihren kleinen Open-Air-Cafés, hippiesken Kleinstläden, skurrilen Kunsthandwerksbuden und dem Te Aro, dem Nationalmuseum Neuseelands einen äußerst kurzlebigen Spaziergang garantiert. An einem Geschäftsgebäude läuft ein Infobanner: Wetterdaten, Börsenkurse, Uhrzeit und der Slogan „ Wellington = The coolest little Capital in the world“! Dem gibt es nichts hinzuzufügen. Das Te Aro ist für alle Besucher frei und mit beeindruckenden multimedialen Ausstellungen über Vulkanismus, Erdbeben, die soziale Geschichte Neuseelands (erstes Wahlrecht für Frauen!), die Kultur der Mari, die Bedeutung der Immigranten von den Pacific Islands für Neuseeland und, wie so oft in anglophilen Ländern, eine Ausstellung über die Beteiligung Neuseelands an den beiden Weltkriegen. Draußen vor dem Hafen übt derweil ein Jugend-Achter für die nächsten Olympischen Spiele. Danach esse ich in der Cuba Street noch in einem indischen Restaurant und verbringe den Rest des Abends in einem kleinen Pub im Aro Valley, No. 91. Es ist der Hauspub einer kleinen Brauerei, die ihren Sitz gleich um die Ecke hat und sich „The Garage Project“ nennt. Produziert wird in einer ehemaligen Autowerkstatt, an der auch direkt an den Endverbraucher verkauft wird. Der kleine Pub ist nur zwei Meter breit, aber ca. 15 Meter lang. Hinter dem Tresen befinden sich sage und schreibe 15 Zapfhähne mit den unterschiedlichsten Geschmacksvarianten des Nischenherstellers.
Diese Art des Bieres bezeichnet man in Neuseeland und Australien als „Craft Beer“. Im Prinzip handelt es sich um handwerklich – in kleinen Brauereien – gebrautes Bier, bei dem hochwertige Zutaten, unkonventionelle Geschmacksrichtungen und das Wiederbeleben alter Brautraditionen im Fokus stehen. Die Craft Breweries stehen damit den großen – multinationalen – Braukonzernen gegenüber, die vornehmlich industrielles Bier im großen Stil produzieren (Wikipedia überarbeitet J). Da wäre eigentlich eine Bierpartnerschaft mit Franken, dem Craft Beer Zentrum der nördlichen Hemisphäre, nur ein nächster konsequenter Schritt, oder?
Über jedem Zapfhahn hängt eine bauchige kleine Flasche, die zur Hälfte mit dem daran zu ziehenden Bier gefüllt ist. Ich entscheide mich für ein Dunkles mit knapp 9% Alkohol, dazu esse ich ein Wurstplättchen mit Serano Schinken, Salami und Ciabatta. Alles sehr lecker. Aber das Bier macht mich schlagartig so müde, dass ich um 22.00 Uhr mindestens angeheitert in mein Bett falle.
Test
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