Die Osterinsel, auch Rapa Nui, Easter Island oder Isla de Pascua genannt, ist eine isoliert gelegene Insel im Südostpazifik. Sie gehört heute politisch zu Chile, ethnologisch zu Polynesien. Sie liegt fernab von den bewohnten Regionen dieser Erde: 3.500km von der chilenischen Küste, 4.250km von der zu französisch Polynesien gehörenden Insel Tahiti und ca. 2.000km von der von Großbritannien verwalteten Insel Pitcairn, die der meuternden Mannschaft der MS Bounty als letzter Zufluchtsort diente, entfernt. Dazwischen liegen die unermesslichen Weiten des Pazifischen Ozeans.
Der Hauptort der Insel, die nur ungefähr 24km lang und 13km breit ist, ist Hanga Roa. Rapa Nui (so nennen die Einheimischen ihre Insel) ist der oberste Teil eines Meeresvulkans, der wiederum zu einem unter dem Meeresspiegel liegenden und über 2.000km langen Höhenzug gehört. Sie zählt aufgrund ihrer abgeschiedenen Lage zu den artenärmsten Inseln des Pazifiks; so waren beim Eintreffen der Europäer weniger als 30 indigene Samenpflanzen und nur 25 dort brütende Vogelarten bekannt. Die touristische Attraktion der Insel sind die nur dort zu sehenden polynesischen Steinskulpturen (Moai), die seit 1995 auf der UNESCO-Weltkulturerbe-Liste stehen.
Die Besiedlungsgeschichte der Insel wird schon seit über hundert Jahren von westlichen Forschern untersucht. Einheitliche Ergebnisse gibt es aber keine. Die Rapa Nui haben ihre eigene Vorstellungen von ihrer Vergangenheit, die sich aus den religiösen Sagen und Legenden ihrer Vorfahren nähren. Darin wird die Ankunft der großen Kanus von den Marquesa Inseln (Franz. Polynesien) vor „langer Zeit“ beschrieben. Da die polynesischen Sprachen nur gesprochen und nicht geschrieben werden bleibt aber auch hierbei – zumindest nach westlichem Verständnis – vieles im Dunklen.
Es sei ergänzend angemerkt, dass einzig auf der Osterinsel Holztafeln mit Schriftbildern gefunden wurden, die aber von der Wissenschaft nicht übereinstimmend als Schrift im herkömmlichen Sinne und/oder als indigen eingestuft werden konnten.
Die Kolonisierung abgelegener Regionen, mit dem Ziel neuen Lebensraum und neue landwirtschaftliche Fläche für die stark wachsende Bevölkerung zu finden, führte die Polynesier im 13. Jahrhundert mit ihren Kanus unter anderem bis nach Neuseeland, tausende Kilometer von ihrem Ursprungsgebiet entfernt. Die westliche Wissenschaft geht davon aus, dass die Insel zwischen dem 8. und 13. Jahrhundert von den Polynesiern besiedelt wurde. Woher genau die Menschen kamen weiß man aber nicht. Darüber hinaus gibt es auch Vermutungen über eine frühere Besiedlung von der Küste Südamerikas aus, die theoretisch wohl mit den damals dort verwendeten Schiffen auch möglich gewesen wäre. Unterstützung bekommt diese These durch den Nachweis der Süßkartoffel als Grundnahrungsmittel auf der Insel, lange bevor sie die Europäer erreichten. Bewiesen werden konnte sie aber bis heute nicht.
Als sicher gilt wiederum, dass im 14. und 15. Jahrhundert nahezu der ganze Palmenwald gerodet wurde. Die freiwerdenden Flächen wurden gebraucht, um die stark angewachsene Bevölkerung ernähren zu können. Dies führte zu deren weiteren Anstieg auf bis zu 10.000 Einwohner. Die erheblichen Eingriffe in das fragile Ökosystems hatten zur Folge, dass es schließlich kollabierte. Dies führte in der Folge zu erheblichen Konflikten zwischen den Stämmen und schließlich zu Kriegen um die Ressourcen, was wiederum die Einwohnerzahl dramatisch verringerte. Während dieser Zeit wurden viele der Moais von den sich bekriegenden Clans umgestoßen oder zerstört.
Im Zuge der Ankunft der ersten Europäer 1722 und der von ihnen eingeführten Krankheiten reduzierte sich die Einwohnerzahl weiter. Als die Insel im 19. Jahrhundert unter chilenischen Einfluss kam, wurden viele ihrer Bewohner nach Peru und Chile versklavt. Ende des 19. Jahrhunderts lebten auf der Osterinsel nur noch an die 100 Ureinwohner. Bis in die 60er Jahre des letzten Jahrhunderts stand sie unter chilenischen Kriegsrecht, das der indigenen Bevölkerung aber den chilenischen Pass verweigerte, ihr aber auch nicht erlaubte die Insel zu verlassen. Ihr Lebensraum beschränkte sich auf eine kleine umzäunte und bewachte Fläche nahe der Hauptstadt. Dennoch erhöhte sich seitdem die Einwohnerzahl – auch durch Zuzug aus Europa und Chile – wieder sukzessive auf heute fast 6.000. Davon sind ca. 60% direkte Nachfahren polynesischer Ureinwohner.
Am ersten Tag erkunde ich Hanga Roa und laufe an dem Küstenweg nach Norden. Die Vegetation erinnert eher an eine Insel in Südeuropa, als an eine Mitten im Pazifik. Reste von Primärwald, oder auch Bananen- oder Papayabäume sehe ich nur vereinzelt. Einige kleine Wäldchen bestehen aus europäischen Nadelhölzern. Einzig das Leben ist wie man es auf einer Südseeinsel erwarten darf: Entspannt, langsam und von einer außergewöhnlichen Freundlichkeit seiner Bewohner geprägt.
Schon nach wenigen hundert Metern stoße ich auf die ersten Steinstatuen, Felsgravuren und in Lavagestein gehauene modernere Skulpturen. Die Moais sind in Fels gehauene Abbilder von Ahnen oder bedeutenden Mitglieder der jeweiligen Stämme. Viele von ihnen haben einen aus dem weicheren Lavagestein gearbeiteten Aufsatz auf dem Kopf, der wohl entweder eine Art Kopfschmuck oder einfach nur Haare darstellen soll. Sie stehen in der Regel auf speziell dafür gefertigten steinernen Plattformen, die über eine schräge Rampe zugänglich sind. Diese Gesamtkomposition, Ahu genannt, ist eine Zeremonialstätte, die die spirituelle Verbindung zwischen dem Diesseits und dem Jenseits bildet. Den Anlagen wird eine hohe spirituelle Kraft nachgesagt. Sie dürfen nicht betreten und die Maois nicht berührt werden. Auf der Insel gibt es 255 Ahus, davon gut zwei Drittel mit darauf stehenden Figuren.
Der Ahu Hanga Kio’e hat fünf Maois. Unweit davon sehen ich einige kleinere mit nur einer Skulptur. Zwischen den Ahus liegt eine alte Anlegestelle, an der die Kanus ins Wasser gelassen wurden. Meist befinden sich diese Areale unweit der alten Dörfer mit ihren wie Bunkeranlagen wirkenden Steinhäusern. Unweit davon befindet sich ein Vulkankrater, auch er ist heilig und darf von Nichtpolynesiern nicht betreten werden.
Am Rückweg laufe ich am kleinen Hafen der Siedlung vorbei, dort befinden sich eine Tauch- und Surfschule und einige Reiseveranstalter, dahinter ein gemütliches Café und ein Restaurant.
Am nächsten Morgen miete ich mir für zwei Tage ein Fahrrad (10.000 Pesos/Tag), um den Osten der Insel zu erkunden. Entlang des internationalen Flughafens Mataveri zweigt die einzige Straße Richtung Norden ab, nach weiteren zwei Kilometern geht es hinunter an die Küste wo sich ein Ahu an den anderen reiht. Ich besichtige Hanna Te’e, Hanna Hau Reza und Akahanga. Alle Moais liegen hier am Boden, die meisten sind zerbrochen und ihre Köpfe oder Hüte liegen Meter weit davon entfernt einsam im Gras. Sie wurden in Erinnerung an die kriegerischen Zeiten nicht mehr in Stand gesetzt.
Das Fahren entlang der Küste ist nicht wirklich ein Vergnügen. Unerbittlich bläst mir der starke Nordwind ins Gesicht. Nach zwei Stunden erreiche ich die Abzweigung zur heiligen Stätte Rano Raraku und nach einem weiteren Kilometer die Anlage selbst. Am Außenbereich des Vulkans befinden sich hunderte von Maois, die meisten stehend, einige davon etwas schief, andere umgefallen und einige wenige zerbrochen am Boden liegend. An anderer Stelle sehe ich eine halbfertige, mindestens sechs Meter lange und liegende in den Fels gehauene Skulptur.
Von hier oben habe ich einen ersten Blick auf mein nächstes Ziel. Den Ahu Tongariki, die am häufigsten fotografierte Stätte der Insel.
Als ich dort ankomme ist nur eine Handvoll Touristen auf dem Areal. Der größte Ahu der Insel mit seinen 15 Steinfiguren ist wahrlich beeindruckend. Eine der vier bis sechs Meter hohen Figuren trägt noch eine Kopfbedeckung. Einige davon liegen am Boden nebeneinander, fein aufgereiht. Wie fast überall auf der Insel schauen auch hier die Gesichter der Skulpturen hinein in das Land. Ich bleibe über eine Stunde; sitze staunend am Boden direkt davor oder bewundere diese imposante Ahnengalerie aus der Ferne oder von hinten. Auch hier spüre ich eine Kraft, die meinen Körper durchströmt.
Die Rückfahrt ist mit der Unterstützung des Windes ein Kinderspiel. Trotzdem falle ich nach sechs Stunden auf dem Fahrrad am Abend müde und erschöpft auf die Matratze in meinem Zelt.
Am nächsten Morgen fahre ich noch zum Ahu Aviki, der im Zentrum der Insel in der Nähe des Mount Terevaka liegt, einem von drei Vulkanschlöten, die der Insel letztendlich ihre heutige Form gegeben haben. Die anderen beiden liegen auf der Halbinsel Pike und im äußersten Süden der Insel. Nach Besichtigung des Ahus mit den dazugehörigen sieben Moais – die einzigen auf der Insel, die ihre Köpfe gen Ozean gewendet haben – beginne ich meinen eineinhalbstündigen Aufstieg auf die höchste Erhebung der Insel (511m). Von hier habe ich einen grandiosen 360-Grad Panoramablick. Auf dem Rückweg passiere ich noch einen kleineren Vulkankrater und treffe weiter unten auf einige Wildpferde, die hier in der Gräserlandschaft ein scheinbar sorgenfreies Leben führen.

Am Nachmittag starte ich dann mit einer auf dem Campingplatz kennengelernten Estin eine Wanderung auf den Ranu Kau im Süden der Insel. Nahe der Siedlung stoßen wir auf eine der vielen ehemals zu rituellen Zwecken genutzten Höhlen und begutachten die Felsmalereien. Nach zwei Stunden erreichen wir das östliche Ende des Vulkankraters, der einen Durchmesser von etwa 400 und eine Tiefe von etwa 60m hat. Die Aussicht hinunter auf den Ozean, die drei vorgelagerten unbewohnten Inseln und die Abrisskante, die der letzte Ausbruch hinterlassen hat, ist atemberaubend und den anstrengenden Aufstieg allemal Wert. Danach laufe ich am Kamm entlang zum anderen Ende des Kraters zu der einst nur zeremoniell genutzten Siedlung Orongo.
Aufgrund der vielen Kriege, Entbehrungen und Leiden im 16. und 17. Jahrhundert entstand auf der Insel der Kult des Vogelmanns, der aber auch in anderen Regionen des Südpazifiks verbreitet ist.
Einem aus einen Wettkampf als Sieger hervorgegangenen Mann wurde eine privilegierte Rolle innerhalb der Gesellschaft zugesprochen, darüber hinaus stand er rituellen Opfern vor. Vermutlich wurde der Kult eingeführt, um tribale Eigenheiten wieder mehr in den Hintergrund zu drängen und um Konflikte zwischen den Stämmen zu vermeiden.
Die zum Wettkampf angetretenen Kandidaten mussten von der eigens dazu errichteten Siedlung immer im Frühling die steile Vulkanaußenwand 300m zum Meer hinunter klettern . Vom Fuße der Klippe schwammen sie hinüber zum Motu, auf dem die Rußseeschwalbe nistete. Derjenige, welcher als erster ein unbeschädigtes Ei der Vögel zurück in die Siedlung brachte, war der Vogelmann für das nächste Jahr.
Nach insgesamt acht Stunden erreiche ich wieder meinen Campingplatz und erfreue mich ein letztes Mal an einem dieser wunderschönen Sonnenuntergänge.
Am letzten Tag gehe ich noch einmal nach Hanga Roa, um im Restaurant Chez Ramon zu frühstücken: Käse, Omelett, Bierschinken, Avocado und eine leckere Guayana Marmelade versüßen mir meinen Abschied. Um 11.30 Uhr wartet bereits der Shuttle-Bus, der mich und einige andere Gäste zum Flughafen bringt. Um 14.25 Uhr hebt unser Latam-Flieger pünktlich gen Santiago ab.