Die Inselgruppe Vanuatu gehört ethnisch und sprachlich zu Melanesien (wie zum Beispiel auch Fidschi, Neukaledonien, die Salomonen oder Neuguinea). Sie besteht aus 83 Inseln – von denen 67 bewohnt sind – bei einer Gesamtfläche von 12.190 km² und 267.000 Einwohner. Die Inseln erstrecken sich über eine Länge von 1300km Länge (Nord – Süd) und es werden 110 verschiedene Sprachen gesprochen. Einwohner ohne gemeinsame Sprache verständigten sich früher über Zeichnungen, die in den Sand gezeichnet wurden. Die rituellen Sandzeichnungen, die aus einer durchgehenden Linie bestehen, wurden 2003 von der UNESCO als Kulturerbe der Menschheit anerkannt. 

Obwohl es nur zwei Flugstunden entfernt von Neukaledonien liegt, können die Gegensätze zwischen den beiden Inselgruppen größer nicht sein: Das Bruttoinlandsprodukt pro Einwohner und Jahr beträgt auf Vanuatu 3.200 US$, der  Staatshaushalt ca. 75 Mio. US$. Die Säuglingssterblichkeit liegt immer noch bei 5,4% und die Lebenserwartung nur bei ca. 63 Jahren. Obwohl allgemeine Schulpflicht herrscht, sind trotzdem ein Viertel der über 16-jährigen Analphabeten. Für die Eltern ist es oft wichtiger, dass die Kinder auf dem Feld und im Haus mitarbeiten, um die Großfamilie mit zu versorgen.

Menschen leben hier schon seit ca. 4000 Jahren. Zu Beginn des 17. Jahrhunderts wurden die Inseln von den Europäern entdeckt und seit Mitte des 19. Jahrhunderts (nach der zweiten Südseereise Cooks) ließen sich dort vor allem Briten und Franzosen nieder und kontrollierten die Inseln bis zu ihrer Unabhängigkeit  am 30.7.1980.

2015 erlebte die junge Demokratie eine ihrer schwersten Krisen, als der Zyklon Pam mit einer Geschwindigkeit von mehr als 300km/h über die Inseln hinwegfegte und nahezu 90% aller Gebäude zerstört oder stark beschädigt hat.

Das Christentum ist die vorherrschende Religion auf den Inseln: 31,4 % der Bevölkerung gehören zur presbyterianischen und 13,4 % der anglikanischen Kirche, 13,1 % der Einwohner sind römisch-katholischen Glaubens und 10,8 % sind Siebenten-Tags-Adventisten.

Etwa 65 % der Bevölkerung bestreiten ihren Lebensunterhalt durch den primären Sektor (vor allem von der Landwirtschaft – hier größtenteils von der Subsistenzwirtschaft und von der Fischerei) und in einigen Regionen mittlerweile auch durch den Tourismus. Zu den wichtigsten Kulturpflanzen gehören Kokospalmen, Bananen und Mais, die hauptsächlich für den Inlandsbedarf kultiviert werden. Für den Weltmarkt werden insbesondere Erdnüsse und Sandelholz angebaut. Die Viehhaltung beschränkt sich auf Schweine, Rinder und vor allem Hühner. Die Einkünfte aus der Landwirtschaft sind nicht nachhaltig und aufgrund von periodisch auftretenden Naturkatastrophen und von Wetterextremen starken Schwankungen unterworfen. Nennenswerte Bodenschätze gibt es auf den Inseln kaum. Eine Erscheinung neueren Datums ist die Bedeutung Vanuatus als Offshore-Finanzplatz. In dem Land gibt es weder eine Einkommenssteuer, noch eine Körperschafts- oder eine Kapitalertragssteuer, was in den letzten Jahren viele ausländische „Unternehmer“ anlockte und Vanuatu auf die schwarze Liste der Steueroasen der EU brachte.

Der Staatshaushalt wird fast ausschließlich durch Einfuhrsteuern, die Mehrwertsteuer (12,5 %) und durch „diverse Gebühren“ finanziert.

Auf der Insel Pentecost (200km nördlich von Port Villa) wird  immer noch Tauschhandel betrieben, der von einer lokalen Bank in die modernen Zeiten begleitet wird: Sie tauscht die Besitztümer der Inselbewohner, – zum Beispiel eine Schilfmatte, eine Muschel, ein Wildschwein, den Stoßzahn eines Wildschweins oder einfach einen wohlgeformter Stein –  entsprechend seines Wertes in die Währung Vatu. Selbst ein guter Rat oder eine alte Geschichte können auf diese Weise zu Geld gemacht werden: Der Wert eines Vatu entspricht zum Beispiel dem Wert eines guten Schweinestoßzahnes. Die Regierung von Vanuatu garantiert die Umtauschmöglichkeit von Gegenständen auf der Insel in die offizielle Landeswährung. Berühmt ist die Insel auch wegen seiner Lianenspringer, deren Tradition der Ursprung des Bungeejumpings ist.

Auf den Inseln gibt es zur Zeit 31 Flugplätze, drei davon mit „asphaltierten“ Start- und Landebahnen. Der Zustand der Landebahn des Bauerfield Airport`s in Port Vila ist nicht der allerbeste. 2016 haben einige internationale Airlines ihre Flüge von und nach Vanuatu zumindest temporär immer wieder wegen Löchern in der Landebahn eingestellt. Darüberhinaus gibt es auf den Inseln ca. 800km asphaltierte Straßen und natürlich Pisten und unzählige Pfade und Wege. Einer der bedeutendsten zeitgenössischen Künstler Vanuatus ist der von der Insel Wallis stammende Aloi Pilioko, der u.a. das farbenfrohe Relief an der Fassade der Hauptpost in Port Vila erschaffen hat.

Auch auf Vanuatu leben die Nachkommen von Kannibalen. Die Insel Malekula (250km nördlich von Port Villa) galt als  die Kannibalen-Hochburg. Es heißt, dass dort bis vor 50 Jahren Menschen gegessen wurden: Die einen aßen ihre Feinde, andere nur Männer, die nicht mit ihren -Ehe- Frauen unterwegs waren. Heutzutage werden Schweine als Opfer oder als Entschädigungszahlungen akzeptiert. Wenn zum Beispiel ein Ehemann seine Frau mit einem Liebhaber erwischt, dann bekommt er dafür ein Wildschwein.

Ich lande um 17.00 Uhr mit der neukaledonischen Fluglinie Aircallin auf der Insel Efate, in Port Vila, dem internationalen Flughafen Vanuatus. Der Vater meiner neuen Landlady holt mich mit etwas Verspätung vom Flughafen ab. Die ersten vier Nächte wohne ich in ihrem Airbnb in der Nähe der Werft.

Am nächsten Morgen besuche ich die Markthalle im Zentrum der Hauptstadt. Hier werden vor allem landwirtschaftliche Produkte wie Taro, Yams, Kokosnüsse, Bananen und Papayas angeboten, die die Bauern in selbstgeflochtenen Körben zum Markt bringen. Die Preise sind handgeschrieben auf kleinen Kartonschildern vermerkt. Am hinteren Ende befindet sich ein kleines Restaurant, in dem lokale Hausmannskost angeboten wird, die mich aber schon rein optisch nicht wirklich zum Essen animiert.

Danach laufe ich die Promenade am Hafen entlang. An jeder Ecke wird gebaut, umgebaut und gepflanzt: Neue Bänke, Beete mit exotischen Pflanzen, Rasenflächen, ein Badebereich und ein mit Steinquadern gepflasterter Gehweg mit Geländer sollen die ca. 500m langen Hafenpromenade für die Kreuzfahrttouristen aufwerten. Einige Meter zurückversetzt schließen sich Restaurants, Bars und kleine Geschäfte an. Viele neue Gebäude entstehen in traditioneller Bauweise mit hiesigen Baustoffen, andere werden aufwendig saniert. Auf der anderen Seite, der am Hafen entlang führenden Hauptstraße, befinden sich die Geschäfte für den täglichen Bedarf, die Gastronomie für den Massentourismus, die Verwaltungsgebäude, Souvenirläden und die Büros lokaler Reiseveranstalter. Als ich noch einen Straßenzug weiter Richtung Osten gehe, befinde ich mich plötzlich mitten in Port Villas China-Town: Einzel- und Großhandelsgeschäfte, Niederlassungen großer chinesischer Unternehmen, ein Rechtsanwalt und ein chinesischer Kulturverein; Lebensmittelläden und die Gastronomie suche ich aber vergebens.

Meine Lieblingsrestaurants in der Stadt sind das Exotic Thai Restaurant und das Lockout Restaurant, etwa 100 Meter über dem Hafen auf einer kleinen Anhöhe gelegen, von der man einen schönen Blick über die Bucht, den Hafen und eine vorgelagerte Insel hat, das Rorona Dining in der Wharf Rd. gegenüber dem War Horse Restaurant und die kleine Garküche „Filipino Cuisine“ an der Hauptstraße 200 links neben dem Hauptmarkt. Die Preise entlang der Hafenpromenade liegen nur wenig  unter jenen in Europa. Sobald man sich aber einen Kilometer von der Stadtmitte entfernt, sind vor allem Dinge des täglichen Bedarfs erheblich billiger haben. Eine Ausnahme bilden nur die Handvoll französischer Supermärkte in der Peripherie der Hauptstadt.

Am nächsten Tag fliege ich mit einer ATR-42 Propellermaschine der Air Vanuatu auf die Insel Tanna. Der Flug dauert 40 Minuten und kostet hin und zurück 190 Euro. An Board befinden sich neben einigen Touristen vor allem Einheimische, die ihre Familien besuchen. Wenn man Zeit und weniger Geld hat, kann man auch auf eine Stand-By „Mitfluggelegenheit“ mit dem Air-Taxi spekulieren. Oft ist noch ein Sitz in dem viersitzigen und einmotorigen Kleinflugzeug frei. Ob meiner Flugangst bevorzuge ich dann doch die etwas größere und zumindest zweimotorige Linienmaschine. Über Tanna ist der Himmel wolkenverhangen, dementsprechend ruppig ist der Anflug und auch die Landung. Innerhalb Vanuatus gibt es, ähnlich wie in Französisch Polynesien, keine Sicherheits- und Gepäckkontrollen mehr. Der Flughafen besteht nur aus einer Wartehalle und einem Tower, die Koffer werden vom Bodenpersonal auf einem zweiachsigen Wagen vom Flugzeug zur Halle gezogen, durch das – glaslose – Fenster gereicht und dort von den Passagieren direkt in Empfang genommen.

Meine Landlady aus Port Villa hat mir eine dreitägige Übernachtungsmöglichkeit bei einem Freund von ihr vermittelt. Ein Fahrer holt mich am Flughafen ab. Eine Stunde später als abgemacht, aber der junge Mann, der Bachelor of Business  studiert hat, ist  sehr hilfsbereit und vor allem sehr entspannt. Das kleine Anwesen befindet sich im Norden der Insel. Direkt hinter dem Flughafen verwandelt sich die geteerte Straße in eine sandige und vor allem staubige, einspurige Piste. Nach einigen Kilometern passieren wir eine der wenigen Tankstellen Tannas. Motorisierte Transportmittel und Benzin sind auf der Insel sehr knapp. Einmal die Woche, meist sonntags, bringt ein Versorgungsschiff Nachschub aus Efate. An der Tankstelle gibt es keine Zapfsäule. Die Fässer liegen übereinander gestapelt. Das Benzin wird in einen kleineren Kanister umgefüllt und dann über einem Trichter in die Autotanks geschüttet.

Eine Hütte aus Holz und Bambusblättern für die Familienangehörigen, ein zweistöckiges Holzhaus mit einer kleinen „Dachterrasse“ und Wellblechdach mit Blick auf das Meer für den Familienvorstand. Die Toilette befindet sich weiter hinten auf dem Grundstück. Da frisches Trinkwasser auf der Insel äußerst knapp ist – es gibt nur eine größere Quelle in den Bergen –  gibt es in Plastikflaschen abgefülltes Wasser nur zum Zähne putzen und zum Waschen. Das Essen ist einfach, die Familienmitglieder, die sich um mich kümmern, sind sehr freundlich und hilfsbereit. Ganz in der Nähe befindet sich die Dorfschule. Das Schulhaus, das in der Mitte des Geländes liegt, ist mit einem Zaun umgeben. Der „Pausenhof“ ist so groß wie zwei Fußballfelder. Am Rande der Rasenfläche, zwischen zwei Bäumen, befindet sich das Grab des Schulgründers.

Auf dem Land der Familie liegt die „Blue Cave“, eine der Top-Sehenswürdigkeiten Tannas.  

Von meiner Unterkunft führt ein Trampelpfad zum Höhlengelände. Direkt über dem Eingang entstehen gerade zwei neue „Palmenbungalos“ mit Terrassen, einem großen, und angelegten Garten und einem atemberaubenden Blick auf den pazifischen Ozean. Von dort gehe ich über eine Treppenkonstruktion hinunter zum Meer. Von den umliegenden Felsen gibt es drei Möglichkeiten in das Meer zu springen: von ca. 10 m, 7m und 4 Meter bzw. jeweils zwei Meter weniger bei Flut.

Die „Blue Cave“ ist eine Kalksteinhöhle mit einem ca. 5m im Durchmesser großem Loch in der Decke, wo Tageslicht ins Innere gelangt und die Höhle in einem einzigartigen Licht erscheinen lässt. Sie hat einen nahezu runden Grundriss bei einen Durchmesser von ungefähr 40 und einer Höhe von ca. 20m. Der Zugang zur Höhle liegt im Meer. Bei Ebbe kann man – wenn man auf die Wellen achtet – hindurch schwimmen. Bei Flut muss man etwa einen Meter nach unten und dann zwei bis drei Meter durch den Eingang tauchen. Wenn der Zugang unter dem Meeresspiegel liegt leuchtet das Wasser in der Höhle türkisfarben.

Am Nachmittag nähert sich eine Gruppe chinesischer Touristen von einem Resort im Süden der Insel mit einem motorisierten Schlauchboot der Höhle. 100 Meter vom Höhleneingang entfernt werfen sie ihren Anker, die Begleiter legen den Besuchern Schwimmwesten an. Einige können nicht einmal schwimmen und werden von Begleitern Richtung Ufer gezogen. Die See ist heute sehr unruhig, die Wellen schlagen gegen die Felsen über dem Höhleneingang. Weil ein Hineinschwimmen bei diesem Seegang nicht ganz einfach ist, tauchen die guten Schwimmer durch den Zugang in die Höhle. Die „Nichtschwimmer“ werden von Helfern bei kleineren Wellen  kurzerhand  in die Höhle gezogen und geschoben. Da die Temperatur in der Höhle merklich niedriger ist als in der Sonne frieren die ersten schon nach wenigen Minuten. Die Helfer warten die flacheren Wellen ab und bringen die Gruppe schließlich wieder wohlbehalten zurück zu ihrem Boot. 

Wenn der Ozean friedlich gestimmt ist, ist der Ausflug ein wahres Vergnügen, bei Flut oder stürmischer See kann er zu einem Kräfte raubenden Abenteuer werden.

In den nächsten Tagen zeigt mir Solo noch weitere Höfe in der Nachbarschaft. Er erzählt mir, dass jeder Stamm, manchmal auch eine Großfamilie, einen Versammlungsplatz hat. Dort treffen sich die Familienmitglieder, wenn es Wichtiges zu besprechen oder Probleme zu lösen gibt. Dazu sitzen alle Teilnehmer kreisförmig um das Zentrum des Platzes. Derjenige, der gerade das Rederecht hat, steht in der Mitte und die anderen hören zu. 

Solo berichtet mir weiter, dass es zwei wichtige Initialisierungsfeiern gibt, die den Übergang vom Kind zum Erwachsenen  vollziehen: Für die männlichen Jugendlichen steht dieses Fest an, wenn er einen Stammesnamen zugesprochen bekommt und damit Anspruch auf ein Stück Land aus dem Stammes- bzw. Familienbesitz hat. Mädchen bzw. Frauen können in den meisten Stammesgesellschaften der Südseeinseln keinen Grundbesitz besitzen oder erwerben.

Wenn die Mädchen das erste Mal ihre Periode bekommen werden sie von den Frauen des Dorfes in eine Hütte in den Wald gebracht und müssen dort vier bis sechs Wochen bleiben. Männer oder Jungen dürfen sich während dieser Zeit nicht in der Nähe der Hütte aufhalten. Wenn die Mädchen zurückkommen gibt es für sie ein großes Fest und sie werden in den Kreis der Frauen aufgenommen.

Der eigentliche Grund für meinen Besuch auf Tanna ist der aktive Vulkan Yasur im Süden der Insel. Geografisch gesehen gehören die Vulkane Vanuatus zum pazifischen Feuergürtel. Der am häufigsten vorkommende Typus ist der Stratovulkan (Schichtvulkan), der aus abwechselnden Schichten von Lava und Lockerenmaterialien (vor allem Asche) aufgebaut ist. Er ist leicht an seiner relativ steilen und spitzkegeligen Form zu erkennen. Während viele Vulkane Vanuatus nur sporadisch aktiv sind, ist der Yasur  seit mindestens 800 Jahren mit bis zu 500 Explosionen pro Tag daueraktiv und macht somit seinem Beinamen „Leuchtfeuer des Pazifiks“ alle Ehre. Sein Krater hat einen Durchmesser von mehr als 300 Metern und mehrere Förderschlote, von denen zur Zeit drei aktiv sind.

Solo organisiert mir ein Fahrzeug und einen Fahrer und begleitet mich auf meiner Fahrt. Bis 2015 konnte der 405 Meter hohe und leicht zugängliche Vulkan individuell bestiegen werden. Mittlerweile gibt es dort einen „Nationalpark“. Die  Zugangsbedingungen wurden verschärft: Die Teilnahme an einer geführten Tour ist obligatorisch und seit 2016 kostet der Eintritt ca. 65 Euro.

Nachdem ich im „Begrüßungscenter“ mein Ticket bezahlt habe, werde ich mit 30 anderen Tagesbesuchern zu  einem Folkloretanz gebeten. Eine Gruppe von ca. 20 Männern und Frauen singen und tanzen, um den Götter unseren Besuch anzukündigen und ihr Wohlwollen für die Unternehmung zu erbitten. Danach werden die anderen auf zehn Jeeps verteilt – ich sitze mit Solo und unserem Fahrer im eigenen Fahrzeug. Um 16.00 Uhr geht es hinauf zum Kraterrand. Die ersten Kilometer führen auf einer Piste durch Urwald, der dann in eine vegetationsarme, mit meterdicker grauer Vulkanasche übersäten mondartigen Landschaft übergeht. 200m unterhalb des Kraterrands werden die Fahrzeuge abgestellt, den Rest dürfen wir laufen. Aus Sicherheitsgründen ist es verboten die Gruppe zu verlassen, auch eine Wanderung  auf dem Kraterrand ist seit einigen Monaten nicht mehr erlaubt. Weil ständig graue und blaue Rauchwolken aufsteigen kann ich von unserem Standort aus nur ungefähr 50m in den Vulkanschlot hinunterschauen. Plötzlich zerreißt eine Explosion die Stille. Rot- und gelbglühende „Lavabomben“ fliegen durch die Luft. Als es dunkler wird, nehmen die Explosionen an Heftigkeit zu. Das Auswurfmaterial wird höher und weiter aus dem Schlot hinausgeschleudert und die begleitenden Donner werden lauter und bedrohlicher.

Gegen acht Uhr fahren wir wieder zurück zur Basisstation. Solo, der Fahrer und ich finden eine kleine Pension in der Nähe des Parks. Am nächsten Morgen fahren wir wieder zurück Richtung Flughafen, von wo aus ich am Nachmittag mit der Propellermaschine wieder zurück nach Port Villa fliege.

Ich miete mich wieder in meiner alten Unterkunft in der Nähe des Hafens ein. Als ich die Nachbarschaft erkunde, fällt mir auf, dass viele Hütten aus Palmenblättern, Müll und den verschiedensten Baumaterialien zusammengebastelt sind. Ihre Dächer sind meist mit Wellblech, das mit darauf liegenden Steine beschwert ist, gedeckt. Glasfenster, Kamine, fliesend Wasser oder Abwasserkanäle gibt es hier keine. Trotz der offensichtlichen Armut blicke ich aber überall in lächelnde Kinder- und Erwachsenengesichter.

Am nächsten Tag ist Weltkindertag. Die Bewohner des Viertels haben für die Kleinen ein großes Fest am Familienplatz vorbereitet. Auf dem ovalen Sandplatz werden  verschiedene Gerichte, Getränke und Eis angeboten und es finden verschiedene Spiele, Tanz- und Singveranstaltungen statt. Einige der Spiele, an denen sowohl Kindern als auch Eltern begeistert teilnehmen, kenne ich aus Deutschland; etwa Tauziehen oder die Reise nach Jerusalem. Sowohl für die Sieger, als auch für die Verlierer und für die Teilnehmer der Darbietungen werden zwischendurch immer wieder kartonweise Süßigkeiten verteilt.

Zum festlichen Anlass tragen die Jungs rote T-Shirts, die Mädchen gelbe. Eine Junge, der neben mir sitzt, trägt ebenfalls gelb. Meine Landlady erklärt mir ganz selbstverständlich, dass er sich als Frau fühlt. Männer, die sich wie Frauen fühlen oder als Frauen erzogen werden und  Homosexuelle sind in Vanuatu – wie auf den meisten anderen Pazifikinseln auch – ein akzeptierter und anerkannter Bestandteil der Gesellschaft und ihrer Kultur. 

Am nächsten Morgen nutze ich das öffentliche Transportsystem, um auf die kleine, im Norden von Efate gelegene Insel Pele zu gelangen. Direkt von der Haustür  bringt mich ein Minibus ins Stadtzentrum. Der Fahrer erklärt mir, dass von einem Knotenpunkt an einem Supermarkt im Norden der Stadt ein weiterer Bus bis an die Küste fährt. Das Passwort „Special Trip“ garantiert mir festgeschriebene Transportkosten zu – nahezu – lokalen Preisen.

Auf der Fahrt treffe ich Peter, einen Straßensänger. Der Beruf des Straßensängers ist sowohl in der Südsee als auch in Südamerika eine Tätigkeit, die fast ausschließlich von körperlich behinderten Menschen ausgeführt wird. Sie singen zur Musik aus ihrer portablen Stereoanlage, die meist auf einem kleinen Sackkarren befestigt ist. Mit seinem  fahrbaren Lautsprecher und CD-Player-Set macht sich Peter jedes Mal wenn ein Kreuzfahrtschiff im Hafen von Port Villa anlegt mit dem Minivan auf den Weg in die Innenstadt und verdient sich dort mit seinen Auftritten ein wenig dazu. Der Mann um die 50 lebt in einem kleinen Haus mit eigenem Garten in einem Dorf im Norden der Insel. Hier ist das Leben im Vergleich zu Port Vila ruhiger und vor allem sehr viel günstiger. Peter ist ein gebildeter Mensch, der außer seiner Stammessprache, Bislama (die kreolische Umgangssprache auf Vanuatu), Französisch und Englisch spricht. Während der Busfahrt erzählt er mir von den vielen Chinesen, die auf Vanuatu Land kaufen und Geschäfte eröffnen, die Einheimischen aber unter dem gesetzlichen Mindestlohn bezahlen (Der Mindestlohn in Vanuatu liegt bei 250$/Monat). Weiter erzählt er mir von den Schwierigkeiten junger Leute überhaupt eine Arbeit zu finden und von den „Custom-People“, die deshalb lieber in ihren Dörfern leben, Subsistenzwirtschaft betreiben und die moderne Welt nur aus den Erzählungen von Verwandten kennen, die es in Port Vila tatsächlich geschafft haben Fuß zu fassen und gerade einmal  wieder ihre Familie besuchen.  

Für die Minibusse bis zur Bootsanlegestelle zahle ich jeweils 500 Vatu (ca. 4 Euro), ebenfalls für die Bootsüberfahrt zu meinem Quartier. Auf der Insel liegen vier Dörfer, zwei im Osten und zwei im Westen der Insel. Straßen oder Pisten, die sie verbinden gibt es dort nicht. Nur gelegentlich führen  Pfade mitten durch den Urwald, der Waren- und Personenverkehr wird vor allem mit kleinen Booten  entlang der Küste bewerkstelligt. Im Dorf Nummer zwei, in dem ich untergekommen bin, leben nur etwa 100 Einwohner in ca. 20 Häusern. Weil die Insel sehr klein und auch nicht sehr hoch ist, ist auch hier Trinkwasser knapp. Ich wohne in einer kleinen Palmhütte 20m vom Strand entfernt. In der Mitte der „Einraumwohnung“ steht ein Holzbett, darüber ist ein Moskitonetz angebracht. Der Strom für die Lampe wird über ein kleines Sonnenpanel, das ständig der Sonne hinterher gestellt werden muss, geliefert.

Am Strand spielen die Kinder in den an Land gezogenen Booten. Ein Herr mittleren Alters läuft auf dem feinsandigen Untergrund Stunde für Stunde auf und ab. Es sieht so aus, als spräche er mit dem Meer, manchmal auch mit sich selbst. Am Abend sehe ich ihn wieder, mit einem älteren Begleiter. Wie ich erfahre ist der Herr mittleren Alters geistig und körperlich behindert und der ältere Begleiter sein Vater. Beide gehen sie jeden Tag bei Sonnenuntergang gemeinsam am Strand auf und ab, halten manchmal inne oder unterhalten sich – wahrscheinlich über Gott und die Welt. Am nächsten Tag mache ich einen Spaziergang um die Insel. An einigen Stellen ragen die Felsen bis weit in das Meer hinein. Ich habe meinen Spaziergang so gewählt, dass ich diese Stellen zur Ebbe erreiche und daher auch hier – bei zurückgezogenem Meer – auf Sandboden bzw. über Muscheln und Korallenbänken laufend meinen Weg fortsetzen kann. Die restliche Zeit liege ich am Strand, schwimme im Meer, fahre mit dem Kajak die Küste entlang oder sitze vor meiner Hütte und sinniere – auch über Gott und die Welt. Nach drei Tagen fahre ich mit dem Boot wieder zurück nach Port Villa. Am 30. Juli wird auf dem Festplatz nahe dem Regierungsviertel der Unabhängigkeitstag Vanuatus gefeiert. Auf dem Platz spielen Bands, es gibt leckeres Essen, die Menschen tanzen und singen. Ein richtig schöner letzter Tag auf Vanuatu. Am nächsten Morgen fliege ich weiter über Brisbane nach Bali.